Autoimmun-Lymphoproliferatives Syndrom (ALPS)
Das Autoimmun-Lymphoproliferative Syndrom (ALPS) ist eine angeborene chronische Erkrankung, die auf einer Fehlsteuerung des Abwehrsystems beruht. Normalerweise haben Abwehrzellen eine begrenzte Lebensdauer und es besteht ein Gleichgewicht zwischen Neubildung und Absterben dieser Zellen. Dieses Gleichgewicht ist bei ALPS gestört, das Absterben einer bestimmten Gruppe von Abwehrzellen funktioniert nicht richtig. Daher sammeln sich unnötig viele Abwehrzellen im Körper an, insbesondere in der Milz, der Leber und den Lymphdrüsen. Es kommt zu einer Vergrößerung dieser Organe, die sehr ausgeprägt sein kann. Das Absterben von Abwehrzellen ist auch wichtig, um einen Angriff dieser Zellen gegen den eigenen Körper (Autoimmunität) zu verhindern. Die Störung beim Absterben von Abwehrzellen bei der ALPS-Erkrankung kann daher zu Autoimmunität führen. Sie äußert sich am häufigsten in einer Zerstörung von roten und weißen Blutkörperchen (Erythrozyten bzw. Leukozyten) und/oder von Blutplättchen (Thrombozyten). Sie kann aber auch zu Erkrankungen der Haut, der Niere, der Gelenke, der Schilddrüse oder anderer Organe führen. Manchmal treten bei der Erkrankung auch Urtikaria (Hautquaddeln) und Fieberschübe auf, diese stehen aber in der Regel nicht im Vordergrund. Bei einem kleinen Teil der Patienten entsteht im Verlauf ein Antikörpermangel, der auch zu einer erhöhten Infektionsanfälligkeit führen kann. Schließlich besteht ein im Vergleich zu Normalpersonen etwas erhöhtes Risiko, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken.
ALPS ist eine seltene Erkrankung, auch wenn sie unter den angeborenen Immunerkrankungen zu den häufigeren gehört. Sie tritt in Deutschland ungefähr bei 1 von 50.000 Personen auf.
ALPS ist eine genetische Erkrankung. Das bedeutet, dass der Bauplan (Gen) für ein Eiweiß (Protein) einen Fehler hat, so dass das Protein nicht mehr in der in der richtigen Form oder gar nicht mehr gebildet werden kann. Bei ALPS-Patienten liegt ein Fehler in einem „Zelltod“-Gen vor. Ohne das aus diesem Gen hervorgehende Protein können Abwehrzellen nicht richtig absterben. Es gibt keine bekannten äußeren Ursachen der Erkrankung. Falsche Ernährung, Infektionen, Impfungen, Medikamente oder andere äußere Faktoren sind sicher nicht an der Entstehung der ALPS-Erkrankung beteiligt.
In der Regel ist ALPS eine Erbkrankheit. Das bedeutet, dass der Patient von Mutter oder Vater ein fehlerhaftes Zelltod-Gen geerbt hat. Es gibt verschiedene ALPS-Formen, da unterschiedliche Zelltod-Gene betroffen sein können. Die Gene heißen Fas, Fas-Ligand und FADD, weitaus am häufigsten ist das Fas-Gen betroffen. Jeder Mensch besitzt von jedem Gen zwei Stück, eines vom Vater und eines von der Mutter. Für die meisten Erbkrankheiten ist es für den Ausbruch der Erkrankung nötig, dass beide Gene fehlerhaft sind, da ein gesundes Gen in der Regel ausreicht, genügend gesunde Proteine herstellen zu können. Bei der häufigsten ALPS-Form genügt jedoch ein fehlerhaftes Fas-Gen, um die Erkrankung auszulösen. Eine weitere Besonderheit ist, dass nicht jeder, der ein fehlerhaftes Zelltod-Gen hat, auch an ALPS erkrankt. So kann es sein, dass beide Eltern gesund sind, obwohl ein Elternteil genau wie der betroffene Patient ein krankes Fas-Gen hat. Der Grund für den Ausbruch der Erkrankung ist dann oft, dass auch das zweite Fas-Gen beim Patienten eine Störung hat. Diese zweite Veränderung ist dann nicht vererbt, sondern wird erworben und ist auch nicht in allen Abwehrzellen nachweisbar, sondern nur in einer bestimmten Gruppe von Zellen (den sogenannten doppelt negativen T-Zellen). Schließlich gibt es eine ALPS-Form, bei der ausschließlich so eine erworbene genetische Veränderung in einem Teil der Blutzellen nachweisbar ist. Diese Fälle sind sehr schwierig zu diagnostizieren. Bei dieser Form sind die Fortpflanzungszellen nicht betroffen, so dass bei diesen Patienten kein Risiko besteht, die Krankheit an ihre Kinder weiterzugeben.
Um die ALPS-Erkrankung festzustellen, sind mehrere komplizierte Blutuntersuchungen notwendig. Manchmal sind auch feingewebliche Untersuchungen z.B. an einem Lymphknoten erforderlich. Es ist möglich, die fehlerhaft absterbenden Abwehrzellen (doppelt negative T-Zellen) im Blut nachzuweisen. Im Blut lassen sich oft erhöhte Antikörperspiegel, eine Erhöhung von Entzündungsstoffen (löslicher Fas-Ligand) oder eine Erhöhung des Vitamins B12 messen. Diese Blutwerte haben einen hohen Vorhersagewert, ob die Erkrankung vorliegt. Manchmal sind ergänzende Untersuchungen notwendig, die prüfen, ob unter bestimmten Bedingungen Abwehrzellen im Reagenzglas zum Absterben zu bringen sind. Beweisend ist eine Genuntersuchung. Da der Gendefekt in manchen Fällen nur in einem Teil der Blutzellen vorliegt, müssen diese Zellen unter Umständen aus einer größeren Blutmenge angereichert werden. Nicht immer gelingt der Nachweis einer ALPS-Erkrankung auf Anhieb, oft sind mehrere Blutuntersuchungen notwendig. Da die Symptome Milz-/Lymphknotenschwellung und Autoimmunität auch bei anderen Erkrankungen auftreten können, ist meist zunächst auch eine sorgfältige Untersuchung zum Ausschluss einer Infektionserkrankung oder einer bösartigen Erkrankung notwendig. Diese kann feingewebliche Untersuchungen an Lymphknoten mit einschließen.
Nicht bei jedem ALPS-Patienten ist eine Behandlung notwendig. Viele Patienten können mit leicht vergrößerter Milz, Leber und Lymphknoten sowie leichten Autoimmunerscheinungen ein normales Leben führen. Die Organvergrößerung kann aber manchmal solche Ausmaße annehmen, dass man mit Medikamenten versuchen muss, die Größe wieder zu reduzieren. Oft kann Cortison helfen, das aber für eine Dauertherapie nicht gut geeignet ist. Die stark wachsenden doppelt negativen T-Zellen haben einen besonders aktiven Stoffwechsel. Das kann man sich zunutze machen und mit dem Medikament Rapamycin (Sirolimus) gezielt diesen überaktiven Stoffwechsel bremsen und damit die Zellen zum Absterben bringen. Sirolimus ist ein sehr aktives Medikament gegen die Lymphdrüsen- und Milzvergrößerung und zeigt sehr zuverlässige Erfolge. Manchmal schränken allerdings Nebenwirkungen wie Blutdruckerhöhung oder schwere Aphthen im Mundbereich die längerfristige Therapie mit Sirolimus ein. Es kann dann versucht werden, durch Dosisreduktion und kleine Therapiepausen die Verträglichkeit zu verbessern. Auch die Autoimmunzytopenien sprechen in der Regel gut auf Sirolimus an. Zur langfristigen Behandlung dieser manchmal sehr hartnäckigen Krankheitserscheinung gibt es mit Mycophenolat eine sehr gute Alternative. Kurzfristig werden auch Cortison und Immunglobuline zur Therapie eingesetzt. Früher wurde zur Behandlung der Autoimmunzytopenien bei Milzvergrößerung manchmal eine operative Milzentfernung durchgeführt. Dies sollte unbedingt vermieden werden, da die Komplikationen nach Milzentfernung (schwere, auch lebensbedrohliche Infektionen) bei ALPS-Patienten besonders häufig auftreten.
Die Prognose der ALPS-Erkrankung ist insgesamt gut. Die Vergrößerung von Milz, Leber und Lymphknoten ist nach den ersten Krankheitsjahren meist nicht mehr fortschreitend, sondern entwickelt sich im Gegenteil in aller Regel im frühen Erwachsenen-Alter zurück. Die Prognose der mit ALPS verbundenen Autoimmunerkrankungen ist je nach der Form der Autoimmunität unterschiedlich. Sie kann zunehmen und auch in höherem Alter noch neu auftreten. Bei ALPS-Patienten besteht darüber hinaus lebenslang ein erhöhtes Risiko, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken. Regelmäßige Verlaufsuntersuchungen in einer mit dieser Erkrankung vertrauten Ambulanz sind daher notwendig.
Spezielle Nebenwirkungen von Impfungen bei der ALPS-Erkrankung sind nicht bekannt. Alle Impfungen sollten nach Impf-Plan durchgeführt werden.
Da ALPS eine genetische Erkrankung ist, kann sie nicht geheilt werden. Es gibt keine einfache Möglichkeit, das kranke Gen gegen ein gesundes auszutauschen. Die ALPS-Erkrankung ist chronisch, d.h. sie dauert lebenslang. Allerdings ist mit zunehmendem Alter ein deutlicher Rückgang der Krankheitserscheinungen möglich. In vielen Fällen können ALPS-Patienten als Erwachsene ein ganz normales Leben führen. Die Fruchtbarkeit ist durch die Erkrankung nicht beeinträchtigt.
Stand
März 2021
Hinweis
Wir möchten mit unseren Patientenbroschüren gerne dazu beitragen, dass betroffene Patienten, Eltern und ihr Umfeld die Erkrankung und ihre Behandlung besser verstehen. Die Broschüren sind sorgfältig erstellt und beschreiben die Erkrankung und deren Behandlung. Auch wenn Sie viele Informationen in den Broschüren finden, können diese vorliegenden Informationen keinen Arztbesuch ersetzen.
Autor
Henrike Ritterbusch
+49 (0)761 270-45240
henrike.ritterbusch@uniklinik-freiburg.de
Wissenschaftliche Begleitung
Prof. Dr. Stephan Ehl
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