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Hämophagozytose-Syndrom (HLH)

Das Hämophagozytose-Syndrom, auch als Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) bezeichnet, steht für eine Gruppe von Erkrankungen mit einer gestörten Regulation des Abwehrsystems (Immunsystem). Der Name Hämophagozytose (Hämo – vom Griechischen abgeleitet: Blut) beschreibt ein wesentliches Merkmal der Erkrankung: Fresszellen (Phagozyten oder Makrophagen), die zur Gruppe der weißen Blutkörperchen gehören und die eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Krankheitserregern spielen, „fressen“ die eigenen, gesunden Blutzellen. Beim Hämophagozytose-Syndrom (kurz: HLH für Hämophagozytische Lympho-Histiozytose) sind die Fresszellen des Abwehrsystems stark überaktiviert. Ihre Aufgabe ist eigentlich das „Fressen“ (Phagozytose) von Krankheitserregern und Zelltrümmern. Bei der HLH vernichten sie aber gesunde Blutzellen und wandern in Organe wie die Milz, die Leber und das Zentralnervensystem ein. Dort verursachen sie starke Entzündungen, wodurch in der Folge die Milz und Leber stark anschwellen und Fieber entsteht.

Das Hämophagozytose-Syndrom ist eine seltene Krankheit. Es tritt in Deutschland bei ungefähr ein bis zwei von 100.000 Personen auf. Die HLH-Studie der Universitätskliniken Freiburg und Hamburg sammelt Daten zu Patienten mit einer HLH (HLH-Register).

Das Hämophagozytose-Syndrom ist Folge einer unkontrollierten, überschießenden Immunreaktion. Hierdurch entsteht hohes Fieber, die Lymphorgane (Lymphknoten, Milz und Leber) schwellen an und Blutzellen werden zerstört. Wenn diese unkontrollierte Immunreaktion nicht gestoppt werden kann, kann es zu einer lebensbedrohlichen Entzündung kommen, die den ganzen Körper betrifft. Die Ursachen für ein Hämophagozytose-Syndrom sind vielfältig, und häufig gibt es mehrere Faktoren, die zum Ausbruch der Erkrankung beitragen. Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Formen der Erkrankung: eine angeborene Form (primäre HLH oder familiäre HLH = FHL) und eine erworbene Form (sekundäre HLH), die nicht angeboren ist.

Primäre HLH:

Bei der primären HLH liegt eine genetische Veranlagung vor, die die Entstehung einer HLH begünstigt. In der Regel sind Gene betroffen, die für das Begrenzen von Immunantworten notwendig sind. Das bedeutet, dass betroffene Patienten in der Regel bei Geburt und in den ersten Lebensmonaten (manchmal über Jahre) keine klinischen Symptome haben. Wenn aber das Immunsystem stark stimuliert wird, reagiert es überschießend und kommt nicht mehr zur Ruhe mit der Folge einer sehr starken Entzündungsreaktion und Überaktivierung Immunzellen, vor allem von Lymphozyten und Makrophagen (Fresszellen). Der Krankheitsbeginn ist oft im ersten Lebensjahr.

Die meisten Formen der primären HLH werden autosomal-rezessiv vererbt. Hierzu gehört die FHL-Erkrankungen (FHL2 = Perforin-Defekt, FHL3 = Munc 13-4 Defekt oder FHL4 = Syntaxin 11 Defekt), das Chediak-Higashi-Syndrom und das Griscelli-Syndrom Typ 2. Das bedeutet, dass beide Elternteile klinisch gesunde Träger des defekten Gens sind, d.h. beide haben neben dem krankmachenden auch ein gesundes Gen, das ausreicht, um vor der Erkrankung zu schützen. Für die Nachkommen entsteht dadurch eine Erkrankungswahrscheinlichkeit von 25 %. Der Krankheitsbeginn liegt meist schon im ersten Lebensjahr.

Auch die X-chromosomale lymphoproliferative Erkrankung (kurz: XLP, auch Purtilo-Syndrom genannt) geht mit einem hohen Risiko für HLH einher. XLP gibt es in zwei Varianten, bei beiden entsteht die HLH oft im Zusammenhang mit einer Infektion durch Epstein-Barr-Virus (EBV). XLP1 hat zusätzlich ein hohes Risiko für Infektionsanfälligkeit und Lymphdrüsenkrebs, XLP2 hat ein hohes Risiko für entzündliche Darmerkrankung und andere Entzündungen. Der Krankheitsbeginn ist bei XLP oft jenseits des ersten Lebensjahres, kann aber auch im Säuglingsalter auftreten.

Bei der X-chromosomalen lymphoproliferativen Erkrankung liegt ein anderer Vererbungsgang vor. Das betroffene Gen liegt auf dem X-Chromosom und wird daher geschlechtsgebunden vererbt. Hier ist meist die Mutter Trägerin des kranken Gens, welches aber bei der Mutter durch ein gesundes Gen auf dem zweiten X-Chromosom ausgeglichen wird. Jungen haben nur ein X-Chromosom, das sie als eines von zwei mütterlichen X-Chromosomen zufällig von der Mutter erben. Wenn sie das X-Chromosom mit dem kranken Gen erben, tritt die Krankheit auf, da sie diese nicht mit einem zweiten gesunden Gen ausgleichen können. Bei diesem Erbgang ist die Hälfte aller Jungen von der Krankheit betroffen, während die Mädchen alle gesund sind. Die Hälfte der Mädchen kann allerdings die Krankheit wieder an ihre eigenen männlichen Kinder übertragen. In diesem Fall spricht man von Konduktorinnen: Die Überträgerinnen der Erkrankungen sind selbst gesund, ihre männlichen Nachkommen hingegen können erkranken.

Bei allen angeborenen, primären Formen ist der Bauplan (Gen) für ein Eiweiß (Protein) fehlerhaft, so dass das Protein nicht mehr in der richtigen Form oder gar nicht mehr gebildet werden kann. Verschiedene Gendefekte können die Ursache für das Hämophagozytose-Syndrom sein. Meistens liegt ein Defekt in den Genen für Perforin, Munc 13-4 oder Syntaxin 11 vor. Bis heute sind aber nicht alle genetischen Ursachen für die verschiedenen FHL-Varianten bekannt.

Wird eine primäre HLH diagnostiziert, sollte immer eine genetische Familienberatung durchgeführt werden.

Sekundäre HLH:

Die sekundären Formen des Hämophagozytose-Syndroms können alle Altersklassen betreffen und sind am häufigsten nach Infektionen, vor allem nach (Virus)-Infektionen wie dem Epstein-Barr-Virus (EBV-Infektion = Pfeiffer’sches Drüsenfieber), Cytomegalievirus (CMV) u) oder z.B. nach einer Leishmanieninfektion zu beobachten. Aber auch Kinder mit bösartigen (malignen) Erkrankungen oder systemischen rheumatologischen Erkrankungen, z.B. dem Morbus Still oder Systemischer Lupus Erythematodes, Stoffwechseldefekten oder Immundefekten können von Hämophagozytose-Episoden betroffen sein.

Auch einzelne Medikamente können in seltenen Fällen eine HLH als unerwünschte Nebenwirkung auslösen (zum Beispiel das Antiepileptikum Lamotrigin und das Immussuppressivum Fingolimod).

Die sekundäre HLH ist nicht vererbt und tritt daher nicht gehäuft in Familien auf.

Die Krankheitszeichen (Symptome) des Hämophagozytose-Syndroms sind vielfältig, da verschiedene Organsysteme von der Erkrankung betroffen sein können. Das Hämophagozytose-Syndrom ist eine lebensbedrohliche Erkrankung und ein immunologischer Notfall. Kinder mit der angeborenen Form einer FLH können immer wieder schwere Krankheitsschübe erleiden, bei Kindern mit sekundärer HLH ist das Risiko von erneuten Krankheitsschüben gering. Direkte Auslöser sind bei älteren Kindern meist (virale) Infektionen, bei Säuglingen wird oft keine auslösende Infektion gefunden.

Immunsystem (Fieber):

Wenn das Abwehrsystem beispielsweise durch eine Infektion angeregt wird, ist Fieber zunächst eine normale Reaktion des Körpers. Es entsteht durch die Freisetzung von entzündlichen Botenstoffen durch Immunzellen, die die Abwehrreaktion des Körpers vermitteln. Bei der HLH kommt das Immunsystem trotz Abklingen der Infektion nicht zur Ruhe. Die Fieberreaktion hört nicht mehr auf, die Abwehrzellen bleiben hochaktiv, auch wenn die Infektion eigentlich überstanden ist. Das Fieber ist nicht immer gleichbleibend hoch, sondern zeigt häufig einen „wellenförmigen“ Verlauf, kann aber auch nach einiger Zeit nachlassen oder ganz zurückgehen.

Leber und Milz:

Im Rahmen der überschießenden Immunreaktion vermehren sich vor allem T-Lymphozyten und werden in großer Zahl aktiviert. Diese wandern auch in die Milz und die Leber und aktivieren dort die ansässigen Fresszellen (Makrophagen). In der Folge kommt es zu einer fortschreitenden Vergrößerung dieser Organe (Milz: Splenomegalie, Leber: Hepatomegalie).

Durch die Beteiligung der Leber kann es auch zu einer Gelbfärbung der Haut (Ikterus), einer Erhöhung der Leberenzyme (Transaminasen) und der Blutfette, einem Eiweißmangel (Albuminmangel) im Blut und einem Verschluss der Gallenwege kommen.

Zentralnervensystem:

Oft ist auch das Gehirn von der unkontrollierten Entzündungsreaktion betroffen. Symptome, die auf eine Beteiligung des Zentralnervensystems hinweisen, können sehr variabel sein. Sie können von Anfang an das sichtbare Krankheitsbild bestimmen, treten häufig aber erst im weiteren Krankheitsverlauf auf. Die Kinder sind schlapp, teilnahmslos und reagieren auf ihr Umfeld nur wenig oder gar nicht. Andere haben eine erhöhte Zittrigkeit, zeigen eine ausgeprägte Überstreckung des Kopfes nach hinten und eine erhöhte oder erniedrigte Muskelspannung Bei manchen Säuglingen ist die Fontanelle gespannt und vorgewölbt, sie schreien schrill, sind lichtempfindlich, erbrechen vermehrt und haben eine Nackensteifigkeit (Meningismus). In einigen Fällen können die neurologischen Krankheitszeichen ausgeprägt sein und im Verlauf auch zu einem Krampfanfall führen.

Bei Kindern mit dem Chediak-Higashi–Syndrom kann es auch unabhängig von der HLH zu vielfältigen neurologischen Symptomen wie einer Entwicklungsverzögerung und/oder einer Muskelschwäche kommen.

Blut (Zytopenie) und Blutgerinnung:

Auch die Zahl der Blutzellen ist bei den Patienten erniedrigt (Zytopenie). Das können die roten Blutzellen sein (Erythrozytopenie), was sich in einer Anämie (Krankheitszeichen: Hautblässe, Müdigkeit, (Trink-) Schwäche, Luftnot, Leistungsminderung, Rücken- oder Kopfschmerzen) zeigt, die Blutplättchen (Thrombozytopenie) und andere Blutgerinnungsfaktoren, die für die Blutgerinnung mit verantwortlich sind (Krankheitszeichen z.B. kleine punktförmige Haut- oder Schleimhautblutungen, Hämatome) und/oder die neutrophilen Granulozyten (Neutropenie) sein, die eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern spielen (Krankheitszeichen: bakterielle Infektionen).

Magen und Darm:

Der Beginn eines Hämophagozytose-Syndroms ist oftmals gekennzeichnet durch Durchfall und Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Bei der FHL5 und der XLP2 Erkrankung kann es zu schweren Durchfällen kommen, die nur schwer durch Medikamente zu kontrollieren sind.

Haut:

Bei einigen Kindern kommt es zu einem unspezifischen Hautausschlag. Sind die Blutplättchen stark erniedrigt, kann es zu kleinen punktförmigen Einblutungen in die Haut kommen (Petechien, Purpura). Bei Kindern mit einer starken Mitbeteiligung der Leber können sich Wassereinlagerungen in das Gewebe, sogenannte Ödeme, entwickeln, wenn der Albumingehalt im Blut zu niedrig ist.

Zusätzlich zu den oben erwähnten Symptomen kommt es beim Chediak-Higashi-Syndrom und Griscelli-Syndrom zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten Pigmentstörung, einem partiellen Albinismus (Fehlen von Pigmenten). Dieser ist am deutlichsten an den Haaren, Augenbrauen und Wimpern (blonde bis gräulich schimmernde Haare), der „hellrosafarbigen“ Haut und der hellblau oder rötlich schimmernden Regenbogenhaut des Auges zu erkennen.

Lunge:

Eine Beteiligung der Lungen kann sich in Form von Gewebswassereinlagerungen in das Lungenfell (Pleuraerguss) und/oder in die Lunge (Lungenödem) äußern. Ursache hierfür kann auch ein erniedrigter Albumingehalt im Blut sein.

Um eine HLH-Erkrankung festzustellen, sind zunächst eine sorgfältige körperliche Untersuchung sowie eine genaue Erhebung der Anamnese (Krankheitsgeschichte) unter Mitbeurteilung der Familiengeschichte (wie zum Beispiel Blutsverwandtschaft, bekannter Immundefekt in der Familiengeschichte) von Bedeutung. Sie können eine erste Auskunft geben, wie stark der Krankheitsschub ist und ob es sich um eine primäre oder sekundäre Form der HLH handelt (siehe Kapitel: Ursachen der HLH)

Es gibt keine spezifischen Untersuchungen oder einen Test, die die Diagnose eines Hämophagozytose-Syndroms belegen oder widerlegen könnten.

Gemäß der europäischen Studiengruppe HLH 2004, die sich den angeborenen Hämophagozytose-Syndromen widmet, basiert die Diagnose auf dem Vorhandensein von mindestens 5 der folgenden 8 Kriterien:

  • Fieber
  • Vergrößerung der Milz (Splenomegalie)
  • Erniedrigung von mindestens zwei Blutzellreihen: Hämoglobin < 9,0 g/dl (bei Neugeborenen < 10 g/dl), Thrombozyten < 100.000/µ, neutrophile Granulozyten < 1000/µl
  • Erhöhung der Blutfette (Hypertriglyceridämie, >= 3mmol/l) nüchtern und/oder Erniedrigung des Gerinnungsfaktors Fibrinogen im Blut (Hypofibrinogenämie (< 1.5 g/l)
  • Mikroskopischer Nachweis der Aufnahme von Blutzellen durch Makrophagen (Hämophagozytose) im Knochenmark, in Milz oder Lymphknoten
  • Erhöhung des Speicherstoffs für Eisen Ferritin (Hyperferritinämie <=500 μg/l)
  • Erhöhter Spiegel von löslichem CD25 (2400 UI/ml), als Zeichen einer überschießenden Entzündungsreaktion im Körper
  • Defekt der NK-Zellen (Natürliche Killerzellen)

Während eines Hämophagozytose-Syndroms kommt es zur überschießenden Aktivierung und Vermehrung von T-Zellen. Diese Zellen können praktisch in alle Organe einwandern und durch die vermehrte Ausschüttung von Zytokinen eine derart starke Aktivierung der Makrophagen bewirken, dass diese beginnen, andere Blutzellen aufzufressen (zu phagozytieren), was zum Bild der Hämophagozytose führt. Die weiteren klinischen Symptome lassen sich durch die Einwanderung der T-Zellen in die unterschiedlichen Organe und durch die erhöhte Konzentration der Zytokine erklären, die durch T-Zellen und Makrophagen ausgeschüttet werden.

Diagnostische Methoden

Blutuntersuchungen:

  • Blutbild (Hämoglobin, Thrombozyten, Leukozyten) und Blutausstrich
  • Entzündungswerte (CRP, lösliches CD25)
  • Leberwerte (AST, ALT, Blutfette)
  • Bestimmung von Gerinnungswerten und des Ferritins
  • Wichtig sind auch immunologische Blutuntersuchungen, bei denen die Zelltoxizität von natürlichen Killerzellen und T-Zellen im Reagenzglas untersucht werden kann. Diese Untersuchungen können in der Regel einen raschen Aufschluss darüber geben, ob eine primäre oder eine sekundäre HLH vorliegt.
  • Wenn der Verdacht auf eine primäre HLH vorliegt, werden genetische Untersuchungen durchgeführt, um den Verdacht zu bestätigen.
  • Da der Auslöser für einen Krankheitsschub sowohl bei den angeborenen als auch bei den sekundären HLH-Formen eine Infektion sein kann, sollte auch immer sofort nach Krankheitserregern (Viren, Bakterien) gesucht werden.

Lumbalpunktion:

Auch eine Lumbalpunktion (Punktion zur Gewinnung von Nervenwasser) ist in der Regel nötig. Im Nervenwasser kann häufig erhöhtes Eiweiß und erhöhte Zellzahlen nachgewiesen werden.

Knochenmarkpunktion:

Eine Knochenmarkpunktion ist für die Sicherung der Diagnose und für den Ausschluss von anderen Erkrankungen wie Blutkrebs (Leukämie), die sich ganz ähnlich zeigen kann, von Bedeutung. Oft sieht man im Knochenmark Hämophagozytose, dies ist aber nicht immer der Fall.

Bildgebende Verfahren:

Zusätzliche Untersuchungen können bildgebende Verfahren wie ein Ultraschall des Bauchraumes und eine Kernspinuntersuchung (MRT) des Kopfes, sowie ein EEG (Ableitung der Hirnströme) im Falle des Auftretens neurologischer Symptome sein. Die Notwendigkeit dieser Untersuchungen richtet sich nach den vorhandenen Krankheitszeichen.

Spezielle Diagnostik:

Beim Griscelli- Syndrom und beim Chediak-Higashi Syndrom ist als ergänzende Diagnostik die Mikroskopie von Haarenschaften sinnvoll.

Die Behandlung des Hämophagozytose-Syndroms richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. Kinder mit der angeborenen Form müssen in der Regel intensiver behandelt werden als Kinder mit der erworbenen Form.

Therapie der angeborenen Hämophagozytose-Syndrome:

Die Behandlung des angeborenen Hämophagozytose-Syndroms besteht aus zwei Phasen. Das Ziel der ersten Behandlungsphase ist die Bekämpfung des akuten Krankheitsschubs, indem man mit bestimmten Medikamenten, (Immunsuppressiva oder Chemotherapeutika), die überschießende Immunreaktion hemmt. Zudem soll die auslösende Ursache, meist eine Infektion, beseitigt und einen Rückfall verhindert werden.

Bei der primären HLH schließt sich eine zweite Behandlungsphase an: Sie zielt auf die langfristige Heilung der genetischen Veranlagung zur HLH. Die allogene hämatopoietische Stammzelltransplantation ist aktuell die einzige Behandlungsmethode, die eine langfristige Heilung erzielen kann.

Immunsupressive Behandlung:

Zur Unterdrückung der überschießenden Aktivität der Makrophagen und T-Zellen werden Medikamente gegeben, die das Abwehrsystem dämpfen. Hierzu gehören in der Regel Kortison, Cyclosporin (CSA) und das Zytostatikum Etoposid (VP16). In Studien werden darüber hinaus derzeit Medikamente getestet, die selektiver sind als Etoposid (Campath) oder die Wirkung der massiv erhöhten Zytokine abschwächen (anti-Interferon-gamma oder Ruxolitinib). Bei der primären HLH muss diese intensive Therapie über Wochen gegeben werden, bei der sekundären HLH kann auch eine kürzere Behandlungsdauer ausreichen.

Behandlung der Infektion:

Da Infektionen bei allen Formen der HLH zu den wichtigsten Auslösern gehören, wird fast immer eine intensive antimikrobielle Behandlung, inkl. Antibiotika durchgeführt. Auch Medikamente, die gegen Viren (Virostatika) oder Pilze (Antimykotika) gerichtet sind, kommen zum Einsatz.

Behandlung neurologischer Symptome:

Falls das Kind auch schwere Anzeichen einer Beteiligung des Zentralnervensystems zeigt, so wird eine Behandlung über die Gabe von Medikamenten in das Nervenwasser mit Hilfe einer Lumbalpunktion erwogen. Es können Kortison und Methotrexat – ein Zytostatikum - verabreicht werden.

Ersatz von Blutbestandteilen (Bluttransfusionen):

Im Falle einer schwerwiegenden Blutarmut (Anämie) und eines Mangels an Blutplättchen (Thrombozytopenie) müssen diese Blutbestandteile durch Transfusionen ersetzt werden. Wird beim Kind ein verminderter Hämoglobinwert festgestellt und treten Krankheitszeichen einer Anämie auf, so kann ein Ersatz fehlender roter Blutzellen (Erythrozyten) erforderlich sein. Blutplättchen (Thrombozyten‎) sind für die Blutstillung verantwortlich. Ein starker Abfall der Thrombozytenzahl (so genannte Thrombozytopenie) bedeutet eine Blutungsgefährdung.

Wenn die Blutgerinnung gestört ist, kann der Ersatz von Gerinnungsfaktoren durch Plasmagaben notwendig sein.

Unterstützende (supportive) Therapie während der Behandlung eines Hämophagozytose-Syndroms:

Um eine häufige Venenpunktion und Reizung der Venen zu vermeiden, ist die Anlage eines zentralen Venenkatheters (zentraler Venenkatheter - ZVK) sinnvoll. Dieser kann dann bei komplikationslosem Verlauf für die gesamte Dauer der Therapie liegen bleiben.

Allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation:

Bei der primären HLH ist zur dauerhaften Heilung und der Verhinderung von Rückfällen eine allogene Blutstammzelltransplantation (allogene HSZT) erforderlich.

Bei dieser Therapie erhält der Patient Blutstammzellen‎ von einem anderen Menschen ("allo-" bedeutet "anders" oder "fremd"). Es kann sich dabei um einen Verwandten oder um einen Fremden handeln (je nach Art des Spenders wird von Familienspender- beziehungsweise Fremdspender-Transplantation gesprochen).

Das Prinzip ist folgendes: die eigenen, genetisch defekten blutbildenden Zellen einschließlich der Immunzellen werden zerstört, gesunde blutbildende Stammzellen werden verabreicht und aus diesen kann sich ein neues, gesundes Immunsystem entwickeln. Aber was sich konzeptionell einfach anhört, ist in der Praxis hochkomplexe Medizin mit vielen Risiken und Faktoren, die berücksichtigt werden müssen.

Zunächst einmal muss ein geeigneter Spender gefunden werden. Optimal geeignet ist ein Geschwisterspender. Bei jedem Geschwister besteht nur eine 25 %-ige Chance, dass die Bluteigenschaften passen.

In Abwesenheit eines passenden Geschwisters gibt es große Spenderbanken, mit deren Hilfe es meist gelingt, auch einen unverwandten passenden Spender zu finden. Eine allogene HSZT mit Stammzellen von einem nicht verwandten Spender (Fremdspender) ist aufgrund der geringeren Gewebeverträglichkeit zwischen Spender und Empfänger mit vergleichsweise höheren Risiken verbunden.

Therapie des erworbenen Hämophagozytose-Syndroms:

Da bei dieser Form der HLH keine genetische Erkrankung behandelt werden muss, besteht die Therapie in erster Linie in der Kontrolle der überschießenden Entzündungsreaktion und der Beseitigung des Auslösers: Das kann die Behandlung der Infektion (siehe: Kapitel Krankheitsursachen), die Intensivierung der Therapie der entzündlichen Grundkrankheit, oder das Absetzen von Medikamenten, welche das Hämophagozytose-Syndrom möglicherweise ausgelöst haben, sein. Meist ist aber eine zusätzliche immunsuppressive Therapie (siehe oben) notwendig, klassischerweise wird auch hier eine Kombinationstherapie aus Kortison und Cyclosporin A eingesetzt, öfter ist auch das Chemotherapeutikum Etoposid nötig. Die immunsuppressive Behandlung ist dann aber meist nur vorübergehend nötig und das Risiko eines Rückfalls ist gering.

Bei Patienten mit einem angeborenen HLH gelingt es oft, mit der intensiven Immunsuppression den akuten Schub einer HLH erfolgreich zu behandeln. Wird dann ein geeigneter Spender für die hämatopoetische Stammzelltransplantation gefunden und diese erfolgreich durchgeführt, sind die langfristigen Heilungschancen bei der primären HLH hoch. Leider gelingt es aber nicht, allen Kindern zu helfen. Wenn die Erkrankung zu spät erkannt wird, sich die Entzündung nicht kontrollieren lässt oder während der schweren Immunsuppression oder der HSZT Komplikationen auftreten, kann trotz aller medizinscher Maßnahmen die Erkrankung zum Tod führen.

Die Prognose der sekundären HLH ist nach der Behandlung der ursächlich auslösenden Erkrankung gut. Auch die sekundäre HLH ist eine ernste Erkrankung, aber schwere Verläufe sind seltener. Es kann zu Rückfällen kommen, wenn die Grunderkrankung (z.B. schweres Rheuma) nicht zur Ruhe kommt, aber eine Stammzelltransplantation ist in der Regel nicht erforderlich.

Wenn die Diagnose einer angeborenen HLH gestellt wird, sollten Impfungen nicht durchgeführt werden, da sie unter Umständen einen Schub der Erkrankung auslösen können. Nach Erholung von einer erworbenen HLH muss der richtige Zeitpunkt besprochen werden, Impfungen sollten aber im Prinzip durchgeführt werden. Dies gilt auch für Kinder mit angeborener HLH nach erfolgreicher Stammzelltransplantation.

Kinder mit der schweren angeborenen Form der Erkrankung können nach einer erfolgreichen Stammzelltransplantation (wieder) Kindergarten und Schule besuchen. Kinder mit Varianten der Erkrankung oder der erworbenen Form der HLH können ebenfalls nach erfolgreicher Therapie wieder in den Kindergarten oder die Schule gehen.

Stand
Oktober 2019

Hinweis
Wir möchten mit unseren Patientenbroschüren gerne dazu beitragen, dass betroffene Patienten, Eltern und ihr Umfeld die Erkrankung und ihre Behandlung besser verstehen. Die Broschüren sind sorgfältig erstellt und beschreiben die Erkrankung und deren Behandlung. Auch wenn Sie viele Informationen in den Broschüren finden, können diese vorliegenden Informationen keinen Arztbesuch ersetzen.

Autor
Henrike Ritterbusch
+49 (0)761 270-45240
henrike.ritterbusch@uniklinik-freiburg.de

Wissenschaftliche Begleitung
Prof. Dr. Stephan Ehl
+49 (0)761 270-77300
stephan.ehl@uniklinik-freiburg.de

UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
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