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Veränderungen im Knochen

Odontogene Tumore und andere Erkrankungen des Kieferknochens

Sogenannte odontogene Tumor entstehen aus den Geweben, die für die Zahnbildung in den Kiefern verantwortlich sind (odontogen = vom Zahn ausgehend). Es werden gutartige (benigne) von bösartigen (malignen) odontogenen Tumoren des Kiefers unterschieden, wobei benigne odontogene Tumore deutlich häufiger vorkommen.

Ameloblastom

Ameloblastome sind die zweithäufigsten gutartigen odontogenen Tumore. Sie zeichnen sich durch ihr aggressives lokales Wachstum aus und können zu starken Schwellungen und Auftreibungen des Kiefers führen. Es ist möglich das sich aus einem zunächst gutartigen Ameloblastom eine bösartige Variante (z.B. das amelobastische Karzinom) entwickelt.

Es werden zwei Hauptformen unterschieden: Konventionelle, multizystische Ameloblastome sind die häufigsten Ameloblastome und treten zu 80% im hinteren Teil des Unterkiefers auf. Ihr Wachstumsmuster ist mehrkammrig, weshalb es oft als "seifenblasenartig" beschrieben wird. Dadurch kommt es auch zu Satellitenbildungen und zur Ausdehnung bis in die Markräume des Kiefers. Durch ihr expansives, infiltratives Wachstum sind Resorptionen von Zahnwurzeln möglich.  Von multizystischen Ameloblastomen unterscheiden sich unizystische Ameloblastome. Bei diesen kommt es seltener zum Anlösen von Zahnwurzeln, vielmehr neigen diese zur Verdrängung von Zähnen. Sie wachsen als unilokuläre Knochenauflösung, was die Entfernung einfacher gestalten kann. Die radikale chirurgische Resektion ist bei beiden Formen die Therapie der Wahl. Aufgrund der hohen Rezidivgefahr bei unvollständiger Entfernung sollte bei der Resektion ein Sicherheitsabstand in Betracht gezogen werden.  Postoperative sind regelmäßige klinische und röntgenologische Verlaufskontrollen wichtig.

Darstellung eines ausgeprägten Ameloblastoms des aufsteigenden Unterkieferastes rechts mit Auftreibung des Knochens mittels Orthopantomogramm.

Odontogene Keratozyste / Keratozystischer odontogener Tumor (KOT)

Die odontogene Keratozyste wurde historisch zunächst als Zyste klassifiziert; 2005 wurde sie aufgrund ihres invasiven und aggressivem Wachstums sowie der hohen Rezidivrate umklassifiziert bzw. umbenannt und als „keratozystisch odontogener Tumor“ (KOT) zu den Kopf-Hals-Tumoren gezählt. Seit 2017 wird sie als „Odontogene Keratozyste“ wieder den odontogenen Kieferzysten zugeordnet. Häufig ist das erste Symptom einer Keratozyste die Kippung oder Lockerung von Zähnen. Dabei bleiben die in die Zyste hineinragenden Zähne jedoch immer vital. Keratozysten können uni- und multiloklulär vor allem im hinteren Unterkiefer auftreten. Keratozysten können auch im Rahmen von Syndromen auftreten, insbesondere dem Gorlin-Goltz-Syndrom, bei dem neben multiplen Keratozysten auch bösartige Hauttumore (Basaliome) und Veränderungen im Skelettknochen auftreten können. Im radiologischen Befund finden sich „girlandenförmige“ Knochenauflösungen (=Osteolysen). Die Therapie der Wahl ist eine Zystektomie, also die vollständige Entfernung der Zyste. Ein Problem stellen die häufig auftretenden Satellitenzysten dar, von denen eine hohe Rezidivgefahr ausgeht. Deshalb sollten regelmäßige postoperative klinische und röntgenologische Verlaufskontrollen durchgeführt werden, um eine frühzeitige Erkennung von Rückfällen zu ermöglichen.

Darstellung einer odontogenen Keratozyste des rechten Kieferwinkels mittels Orthopantomogramm.

Odontom

Der häufigste gutartige odontogene Tumor ist das Odontom. Es tritt gehäuft zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr auf. Odontome sind entwicklungsbedingte Fehlbildungen (Harmatome), die aus versprengtem Keimgewebe entstehen. Ihr Wachstum ist nicht autonom, sondern verläuft mit dem Wachstum des umgebenden Gewebes parallel. Invasives oder verdrängendes Wachstum ist daher eher untypisch. Odontome fallen häufig durch sog. retinierte, d.h. im Kiefer „steckenbleibende“ Zähne auf. Sie können ein Durchbruchshindernis für diese Zähne darstellen und somit die physiologische Einstellung der bleibenden Zähne in den Zahnbogen verhindern. Odontome bestehen aus einer bindegewebigen Kapsel in der sich Anteile von Schmelz, Dentin und Zement findet. Es werden zwei Formen von Odontomen unterschieden: Zusammengesetzte Odontome finden sich meist im vorderen Oberkiefer und sind besser organisiert. Sie bestehen oft aus kleinen, zahnähnlichen Gebilden, die sich diagnostisch häufig bereits im OPG (Orthopantomogramm) einzeln erkennen lassen. Komplexe Odontome finden sich vermehrt im hinteren Unterkiefer und zeigen sich unorganisiert. Zahnstrukturen sind zwar vorhanden aber unregelmäßig angeordnet, wodurch eher wolkige Verschattungen erkennbar sind. Als Therapie ist die chirurgische Entfernung des Odontoms einschließlich der Bindegewebskapsel anzustreben. Nach der Entfernung ist die Prognose für einen spontanen Durchbruch eines retinierten Zahnes sehr gut. Durch die Entfernung können auch lokale Probleme wie das Verschieben von Nachbarzähnen oder beginnende Wurzelresorptionen vermieden werden.

Darstellung eines zusammengesetzten Odontoms im Oberkiefer rechts retromolar mittels
Orthopantomogramm.

Zementoblastom

Zementoblastome entwickeln sich aus dem parodontalen Halteapparat der Zähne. Sie stehen immer in unmittelbarem Kontakt zu einer Zahnwurzel, wobei die benachbarten Zähne vital bleiben. Die Tumoren produzieren eine zementartige Matrix, die direkt am Wurzelzement angebaut wird. In etwa 70% der Fälle befinden sie sich im Unterkiefer und können dort Schmerzen verursachen. Zementoblastome zeigen ein expansives Wachstum bei dem es zu einer Auftreibung des Kiefers kommen kann. Für die Diagnose sind ein OPG (Orthopantomogramm) sowie gegebenenfalls ein DVT (Digitales Volumentomogramm) die besten Untersuchungsmethoden. Hier zeigt sich eine mit der Zahnwurzel verbackene Verschattung ohne Spalt zwischen der Läsion und dem Zahn. Dies ist ein charakteristisches Merkmal und wichtig für die Differentialdiagnose gegenüber zemento-ossären Dysplasien oder ossifizierenden Fibromen. Aufgrund der Rezidivgefahr sollte die vollständige chirurgische Entfernung von Zementoblastomen erfolgen. Dadurch kann das Risiko eines erneuten Auftretens minimiert werden.

Darstellung eines Zementoblastom in regio 46 in direkter Umgebung des N. alveolaris inferior rechts mittels Orthopantomogramm.

Ossifizierendes Fibrom

Das ossifizierende Fibrom ist ein gutartiger Tumor mit fortschreitendem und teils lokal-aggressiven Wachstum. Er kann zu massiven Knochenauftreibungen und schmerzlosen Schwellungen führen, so dass es je nach Lokalisation zu Gesichtsasymmetrien, Verengung der Atemwege und Verlegung der Kieferhöhle kommen kann. Die häufigste Lokalisation ist der Unterkiefer, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Eine Entwicklung in einen bösartigen Befund ist zwar unwahrscheinlich, aufgrund der Rezidivgefahr wird dennoch die vollständige chirurgische Entfernung des Tumors angestrebt.

Darstellung eines ossifizierenden Fibroms im Kieferwinkel links mittels Orthopantomogramm.

Ossifizierende Fibrome können extrem große Ausmaße annehmen. Für weiterführende Informationen verweisen wir auf folgenden Artikel: Das ossifizierende Fibrom – ein seltener, gutartiger Knochentumor im Kieferbereich - zm-online

Fibröse Dysplasie (Morbus Jaffe-Lichtenstein)

Die fibröse Dysplasie ist eine benigne Knochenläsion und die häufigste Knochenfehlbildung im Kindesalter. Bei Erwachsenen tritt sie sehr selten auf. Sie entsteht aufgrund einer Störung der Knochenneubildung und Ossifikation, wodurch der Knochen durch lockeres Bindegewebe ersetzt wird. Klinisch äußert sich dies in Auftreibungen und Verformungen des Knochens mit einer erhöhten Anfälligkeit für Frakturen. Die Läsionen können äußerst schmerzhaft sein, aber es können auch vollkommen asymptomatische Verläufe auftreten. In der Regel stabilisieren sich die Veränderungen, wenn die Kinder ausgewachsen sind. Neben einer adäquaten Schmerztherapie ist die Gabe von Bisphosphonaten zur Stabilisierung der Knochenläsionen ein wichtiger Therapieansatz.  Eine chirurgische Abtragung des veränderten Knochens sollte wenn überhaupt erst möglichst spät erfolgen. Es ist wichtig, dass eine adäquate Behandlung frühzeitig eingeleitet wird, um mögliche Komplikationen zu verhindern.

Darstellung eines ausgeprägten fibrösen Dysplasie im Ober- und Unterkiefer rechts mittels Orthopantomogramm. Es zeigt sich eine Verdrängung sowie Verlagerung mehrerer Zähne.

Für weiterführende Informationen verweisen wir auf folgenden Artikel: Ausgeprägte fibröse Dysplasie und CAD/CAM-geplante modellierende Unterkieferosteotomie - zm-online

Osteom

Osteome sind gutartige Knochentumoren, die aus normalem Knochengewebe bestehen. Sie entwickeln sich meistens im Schädelbereich oder den Kieferknochen, können aber auch an anderen Stellen des Skeletts auftreten. Diese Tumoren wachsen in der Regel langsam und verursachen oft keine Symptome, sodass sie häufig zufällig bei bildgebenden Untersuchungen entdeckt werden. Die meisten Osteome erfordern keine Behandlung und können einfach beobachtet werden. Wenn sie Beschwerden verursachen, die Funktion beeinträchtigen oder das umgebende Gewebe verschieben, kann eine chirurgische Entfernung erwogen werden. Die Prognose nach der Entfernung ist in der Regel gut.

Darstellung eines Osteoms des aufsteigenden Unterkieferastes links mittels Orthopantomogramm.

Darstellung eines ausgeprägten Osteoms mittels Orthopantomogramm. Die Ausdehnung erstreckt sich über den gesamten rechten Unterkiefers bis in das rechte Kiefergelenk reichend.

Osteoidosteom / Osteoblastom

Osteoidosteome (<1cm) und Osteoblastome (>1cm) sind benige Knochentumore, die von den Osteoblasten ausgehen. Sie äußern sich in Form von Auftreibungen des Knochens und können starke, vor allem nächtlichen Schmerzen verursachen, die durch die Einnahme von Aspirin gelindert werden können. Im OPG (Orthopantomogramm) zeigen sie sich als homogene Verschattung mit einem schmalen Aufhellungssaum. Aufgrund der Rezidivneigung ist eine vollständige chirurgische Entfernung empfohlen. 

Osteosarkom

Das Osteosarkom ist der häufigste bösartige Knochentumor im Skelett (nicht aber der häufigste Tumor des Kiefers). Er kann Knochen bilden und kann in Nachbargewebe eindringen.

Häufig tritt eine Schwellung im betroffenen Bereich auf, die schmerzhaft sein. Eine Metastasierung von Osteosarkomen im Kiefers ist prinzipiell möglich, jedoch tritt sie deutlich später und seltener auf als bei Osteosarkomen in anderen Knochen. Die Ausdehnung des Tumors im Röntgenbild oder CT ist oft nicht eindeutig zu erkennen, was die Behandlung dieses Tumors erschwert. Die chirurgische Entfernung mit ausreichendem Sicherheitsabstand ist die Therapie der Wahl. Osteosarkome sind resistent gegenüber Strahlentherapie, daher kann eine zusätzliche (neo)adjuvante Systemtherapie notwendig werden, um die Wirksamkeit der Behandlung zu erhöhen. Eine umfassende und individuell angepasste Behandlung ist anzustreben.

Darstellung eines Osteosarkoms im anterioren Unterkiefer links mittels Orthopantomogramm.

Plasmozytom und Multiples Myelom

Das Multiple Myelom ist ein B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, das sich durch eine vermehrte Produktion von Plasmazellen im Knochenmark auszeichnet. Während das Multiple Myelom an mehreren Stellen im Körper auftreten kann, bezieht sich der Begriff "Plasmozytom" auf eine Vermehrung von Plasmazellen an nur einer Lokalisation. Beide Formen können sich im Kiefer manifestieren - entweder als Erstmanifestation oder im Verlauf der Krankheit. Patienten, die an einem Plasmozytom oder Multiplem Myelom im Kiefer leiden, berichten oft von Schwellungen und Taubheitsgefühlen im Bereich des Unterkiefernervs, sofern dieser betroffen ist. Ein Plasmozytom im Kiefer kann möglicherweise vollständig chirurgisch entfernt werden, während die Behandlung einer Manifestation des Multiplen Myeloms im Kiefer eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der Onkologie erfordert. Ggf. ist hier dann eine Chemotherapie oder eine Bestrahlung nötig. Eine umfassende und individuelle Behandlung ist entscheidend, um das bestmögliche Ergebnis für die Patienten zu erzielen.

Knochenmetastasen

Maligne Tumore können Fernmetastasen im Kieferknochen bilden. Hierzu gehören vor allem Knochenkrebs, Brustkrebs, Lungenkrebs, Schilddrüsenkrebs, Prostatakrebs und maligne Tumore der Niere. Klinisch kann es zu Schmerzen, Schwellungen, Sensibilitätsstörungen, Zahnlockerungen und spontane Frakturen kommen, aber auch asymptomatische Verlaufsformen sind möglich. Um den Primärtumor einer Knochenmetastase zu identizieren, ist immer einer histopathologische Untersuchung nötig. Therapeutisch steht immer zunächst die Behandlung des Primärtumors im Fokus. Eine lokale chirurgische Entfernung einer Knochenmetastase des Kiefers kann sinnvoll für die Gesamtbehandlung sein und sollte interdisziplinär erwogen werden.

Darstellung eines Weichteilsarkoms mittels Computertomografie. Das Sarkom grenzt an die Kaumuskulatur des linken Kiefers an.

Weichteilsarkome

Weichteilsarkome sind seltene maligne Tumore der Weichgewebe, also z.B. des Fettgewebes (Liposarkome), des Bindegewebes (Fibrosarkome), der Muskulatur (Rhabdomyosarkome und Leiomyosarkome), der Gefäße (Angiosarkome) und anderer Gewebetypen. Meist bemerken Patienten zunächst eine schmerzlose Schwellung, aber auch Schmerzen sind möglich wenn der Druck auf Nerven zu groß wird. Zur Diagnosesicherung ist neben der körperlichen Untersuchung sowie einer radiologischen Untersuchung in Form eines CTs oder MRTs immer auch die Biopsie zur histopathologischen Untersuchung nötig. Je nachdem um welche Art eines Weichteilsarkoms es sich handelt ist die Therapie multizentrisch und interdisziplinär durchzuführen. Die Therapie umfasst hierbei die vollständige chirurgische Entfernung des Tumors, eine (neo)adjuvante Strahlentherapie, sowie falls nötig eine Chemo- oder Immuntherapie.