

und die funktionalen Areale des Tu-
mors zu verstehen. Die Strahlenthe-
rapie wird präziser und fokussierter.
Was heißt das konkret?
Wir arbeiten daran, dass wir die
biologischen Eigenschaften des Tu-
mors auf den Bildern sehen können,
also erkennen, wo die besonders
strahlenresistenten Bereiche liegen
und welche Teile eher strahlensensi-
bel sind. Welche Zellen sterben nach
einer Bestrahlung, für welche brau-
chen wir mehrere Sitzungen?
Solche Bilder zu erstellen
und in die Thera-
pieplanung einzubeziehen – damit
leisten wir in Freiburg gerade inter-
nationale Pionierarbeit. Je präziser
die Bilder des Tumors sind, umso prä-
ziser kann die Therapie sein.
Also alles eine Frage der Technik?
Nicht nur, wir müssen die Bilder
auch verstehen und richtig deuten.
Aber die Technik spielt eine große
Rolle. Wir sind da immer auf dem
neuesten Stand. Vor kurzem
haben wir ein
neues To -
mot he -
r a p i e g e r ä t
i ns ta l l ie r t ,
das während
einer Bestrahlung kontinuierlich
Bilder vom Inneren des Patienten
aufnimmt und den Laserstrahl mi-
krometergenau anpasst. Außerdem
haben wir zwei Geräte für die in-
traoperative Bestrahlung in Betrieb
genommen, mit denen Chirurgen
bereits während der Operation den
Tumor bestrahlen können. Insbe-
sondere bei Brustkrebs wird diese
Methode erfolgreich verwendet.
Woran merkt der Patient den Fort-
schritt in der Strahlentherapie?
Die Behandlungen haben dank
der präziseren Bestrahlung deutlich
mehr Wirkung auf den Tumor und
weniger Nebenwirkungen im gesun-
den Gewebe. Und die Zeiten haben
sich verkürzt: Bei vielen Patienten
genügen ein bis drei Sitzungen, bei-
spielsweise bei Lungen- oder Leber-
tumoren.
PROFESSOR DR . ANCA- LIGIA GROSU
promovierte und habilitierte am Klinikum rechts der Isar
der Technischen Universität München. Dort baute sie die
Radiochirurgie und die stereotaktische Strahlentherapie
auf. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard
Medical School in Boston/USA kam sie 2007 als Ärztliche
Direktorin der Klinik für Strahlenheilkunde und Ärztliche
Leiterin des Medizinischen Versorgungszentrums an das
Universitätsklinikum Freiburg.
FORTSCHRITTE IN
DER STRAHLENTHERAPIE
Auf den winzigsten Bruchteil präzise
treffen die Strahlen auf den Tumor –
und schädigen die Erbsubstanz seiner
Zellen so stark, dass sie sich nicht mehr
teilen können. Eine Strahlentherapie
lässt den Tumor schrumpfen oder
zerstört ihn sogar ganz. Wie diese
Methode zusätzlich das Immunsystem
stärkt, erklärt Professor Dr. Anca-Ligia
Grosu, Ärztliche Direktorin der Klinik
für Strahlenheilkunde am Universitäts-
klinikum Freiburg
Frau Professor Grosu, eine Strahlen-
therapie ist ganz schön belastend für
das Immunsystem, oder?
Das war bisher die Annahme. Al-
lerdings hat sich mit der Entwick-
lung der Strahlentherapie einiges
verändert. Eine Behandlung mit
modernen Hochleistungspräzisions-
strahlen schwächt das Immunsys-
tem nicht. Bei dieser Therapie wird
der Tumor sehr präzise ins Visier
genommen, nur die Tumorzellen be-
kommen etwas von der Strahlung
ab. Das gesunde Gewebe um den Tu-
mor herum wird geschont. Diese Me-
thode stärkt das Immunsystem.
Wie funktioniert das genau?
Im Prinzip wie eine Impfung. Das
Tumorgewebe wird durch die Be-
strahlung zerstört und dem Immun-
system werden bestimmte Antige-
ne präsentiert, quasi die Struktur
des Tumors. Daraufhin fressen die
Immunzellen den Tumor auf. Inter-
essanterweise scheint die Informa-
tion, wie dem Tumor beizukommen
ist, über die Blutbahn weitergegeben
zu werden. Es gibt Beobachtungen,
dass bei der lokalen Bestrahlung Me-
tastasen an anderen Orten imKörper
ebenfalls kaputtgehen. Hier wird das
körpereigene Immunsystem aktiv.
Das klingt ja vielversprechend…
Theoretisch
schon,
praktisch
funktioniert es nicht immer. Somuss
die Tumorart eine gewisse Immuno-
genität besitzen, also überhaupt
eine Antwort des Immunsystems
auslösen können. Das ist leider nur
selten der Fall. Zudem ist der Effekt
eher schwach und wird besser mit
einer medikamentösen Immunthe-
rapie kombiniert. Welche immunmo-
dulierenden Substanzen dafür am
besten geeignet sind, untersuchen
wir derzeit. Wir arbeiten deutsch-
landweit mit verschiedenen Insti-
tuten zusammen und natürlich mit
Experten aus der Klinik für Innere
Medizin und der Klinik für Nuklear-
medizin am Universitätsklinikum
Freiburg. Unsere Bemühungen, die
Immuntherapie im Tiermodell zu
analysieren und auf ein Patienten-
modell zu übertragen, sind interna-
tional anerkannt worden. So hat uns
die American Society for Radiation
Oncology als eines der zehn besten
unter 11.000 Forschungsprojekten
ausgezeichnet.
Wo liegt die Zukunft der Strahlenthe-
rapie? Wird es noch große Veränderun-
gen geben?
Das denke ich schon. Das Ziel
ist eine individualisierte und per-
sonalisierte Strahlentherapie. Die
Partikeltherapie mit Protonen wird
bestimmt große Bedeutung erlan-
gen, insbesondere bei Kindern und
Jugendlichen. Derzeit forschen wir
in mehreren Bereichen, beispiels-
weise entwickeln wir die Bildgebung
weiter. Die Aufnahmen, die wir mit
Kernspintomographie, Computerto-
mographie und Positronen-Emissi-
ons-Tomographie erstellen, helfen
uns, den Tumor genau zu lokalisieren
„Je präziser die Bilder des Tumors
sind, umso präziser kann
die Therapie sein“
© 2016 Accuray Incorporated
Ein Tomotherapie-Gerät passt
den Laserstrahl während der
Behandlung mikrometergenau an
PUNKTGENAU DEN
TUMOR TREFFEN
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