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Sonderausgabe
einstellen können. Anders als früher ist dieser Punkt
nicht nur bilateral zu betrachten. Dank der zunehmenden
Gleichberechtigung von Mann und Frau spielt bei solchen
Entscheidungen auch die Karriereplanung des Partners
eine Rolle. Die Absprache, wann wer Arbeitszeit redu-
ziert, muss zusätzlich innerfamiliär getroffen werden.
Vor welche Probleme stellt es eine Klinik, die
für OP-Bereiche und Intensivstationen verantwortlich
ist, sich auf Mitarbeiter einzustellen, die Familie und
Beruf vereinbaren wollen?
Diese Problemstellung betrifft beide, Arbeitnehmer ge-
nauso wie Arbeitgeber. In der Klinik für Anästhesiolo-
gie und Intensivmedizin hoffen wir, dass über unsere
konzeptionelle Begleitung die für die Klinik und den
Mitarbeiter bestmögliche Perspektive ermittelt wird.
Das heißt aber auch, dass wir als Vertreter der Klinik die
für den Mitarbeiter und die Mitarbeiterin bestmögliche
Option gewährleisten möchten. Wenn Arbeitgeber und
Arbeitnehmer ein gemeinsames Verständnis dieser bei-
den Aspekte teilen, ist das Ganze weniger problematisch.
Natürlich bleibt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
ein Thema, das man gemeinsam besprechen muss. Eine
völlig individuelle Gestaltung der Arbeitszeit ist in unse-
rem Kontext einfach nicht möglich. Auch das muss
fairerweise klar formuliert werden.
Früher war alles einfacher?
Früher war es einfacher, aber nicht alles war besser. Ich
glaube sogar, dass wir eine höhere Zufriedenheit und da-
mit auch eine höhere Qualität der Arbeit erreichen können,
wenn wir mit den einzelnen Mitarbeitern zu einer ge-
meinsamen Interpretation und Bewertung ihrer Arbeits-
perspektive gelangen können. In dem gesamten Diskurs
über diese sogenannten „veränderten Generationen“ ist
dies ein sehr positives und qualitätssteigerndes Merkmal.
Wir können damit vielleicht mehr Zufriedenheit am Ar-
beitsplatz generieren, mehr Freude am Arbeiten ermögli-
chen und auch die Qualität erhöhen, wenn wir es vernünf-
tig messbar und reflektierbar machen.
Andere große Unternehmen haben schon vor
Jahren auf die sich verändernden Bedürfnisse ihrer Ar-
beitnehmer reagiert. Haben die Unikliniken zu lange
gewartet?
Ich glaube nicht, dass wir zu lange gewartet haben. Ich
halte den immer wieder angestellten Vergleich mit ande-
ren Unternehmen außerhalb des Gesundheitsbereichs für
nicht sinnvoll. Wir haben es hier mit der Besonderheit zu
tun, dass wir an 365 Tagen 24 Stunden lang höchste Kom-
petenz auf pflegerischer und ärztlicher Seite für unsere
Patienten gewährleisten müssen. Also: Nein, wir haben
nicht zu lange gewartet. Es ist vielmehr die Frage, welche
Möglichkeiten in einem solchen System stecken. Ich glau-
be, selbst wenn es keine ökonomische Beschränkung
gäbe, würde eine Kompetenzbeschränkung gewisse
Grenzen setzen, was die Flexibilität der Arbeitszeiten an-
geht. Wenn ich beispielsweise den Verlauf eines Patienten
in der Intensivmedizin nur alle paar Tage mitbekomme,
erhöht sich die Gefahr, Fehler bei der Behandlung dieses
Patienten zu machen. Das stellt für beide Seiten ein enor-
mes Problem dar, das sich auch nicht lösen lässt, indem
einfach mehr Personal eingestellt wird. Also tun wir das,
was innerhalb des hochkomplexen Systems „Universitäts-
klinikum“ möglich ist, um auf die individuellen Bedürf-
nisse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzuge-
hen, ohne dabei auf den hohen Anspruch innerhalb der
Patientenversorgung zu verzichten.
Für mich als Kauf-
männischen Direktor
des Klinikums hat es
eine hohe Priorität,
dass wir eine familien-
bewusste Personal-
politik verfolgen.
Vor dem Hintergrund
des sich abzeich-
nenden Fachkräfte-
mangels und dem
hohen Anteil an
weiblichen Beschäf-
tigten werden wir
unsere Maßnahmen
in diesem Bereich
weiter ausbauen.
Uns muss es gelingen,
auf die Bedürfnisse
von Familien und auf
bestimmte Lebens-
situationen flexibel
einzugehen, damit
zukünftig ausrei-
chend Auszubildende
und Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter
gewonnen werden
können.“
Bernd Sahner,
Kaufmännischer Direktor des
Universitätsklinikums Freiburg