AG Hämangioblastome und von Hippel-Lindau (VHL) Krankheit
AG Hämangioblastome und von Hippel-Lindau (VHL) Krankheit
Die Klinik für Neurochirurgie bietet Patienten im Rahmen der Spezialsprechstunde eine individuelle Beratung hinsichtlich der Therapie von intrakraniellen und intraspinalen Hämangioblastomen an. Zur optimalen Betreuung der Patienten mit der VHL Krankheit arbeiten wir eng mit der koordinierenden VHL-Sprechstunde der hiesigen Abteilung für Nephrologie zusammen.
Ist eine Operation erforderlich, so kommen moderne Operationsverfahren wie die intraoperative Navigation, das intraoperative Neuromonitoring oder minimal-invasive Techniken zum Einsatz. Diese schonenden, minimal-invasiven Techniken wurden auch zur Entfernung von Hämangioblastomen im Bereich der Wirbelsäule etabliert.
Zudem arbeiten wir an verschiedenen Forschungsprojekten, um durch weiteren Erkenntnisgewinn sowie die Weiterentwicklung von Operationstechniken die Therapie von Patienten zu verbessern.
Aktuelle Forschungsprojekte
- Untersuchung der Lebensqualität von Patienten mit der VHL Krankheit
- Moderne OP-Verfahren für Hämangioblastome des zentralen Nervensystems
- Neue Bildverarbeitungsprozesse zur Autosegmentation und Volumetrie von Hämangioblastomen
- Molekulare Charakterisierung von Hämangioblastomen
Embolisation vor der Resektion von Hämangioblastomen - in welchen Fällen ist sie ratsam?
Ansprechpartner: Prof. Dr. J.-H. Klingler
Hämangioblastome sind stark vaskularisierte Tumore und können mit der von Hippel-Lindau (VHL)-Krankheit assoziiert sein. Eine präoperative Embolisation kann tumorversorgende Gefäße verschließen und damit die Perfusion des Tumors reduzieren. Allerdings ist die präoperative Embolisation kein etablierter Standard, und die verfügbare Evidenz basiert hauptsächlich auf unkontrollierten retrospektiven kleinen Fallserien. In diesem Zusammenhang sind die Sicherheit und Wirksamkeit der präoperativen Embolisation bei Hämangioblastomen des zentralen Nervensystems (ZNS) nicht hinreichend charakterisiert. Dieses Forschungsvorhaben untersucht in unserem interdisziplinären VHL-Zentrum die radiologischen und klinischen Aspekte der präoperativen Embolisation und anschließenden mikrochirurgischen Entfernung von ZNS-Hämangioblastomen.
Intraoperative Indocyaningrün (ICG)-Videoangiografie in der Hämangioblastomchirurgie - in welchen Fällen ist sie hilfreich, in welchen entbehrlich?
Ansprechpartner: Prof. Dr. J.-H. Klingler
Hämangioblastome sind stark vaskularisierte Tumoren und können eine ausgedehnte Gefäßzeichnung der umgebenden pathologischen Blutgefäße verursachen. Bei der mikrochirurgischen En-bloc-Tumorresektion ist es entscheidend, zunächst die tumorversorgenden Gefäße zu ligieren. Die Unterscheidung zwischen tumorversorgenden Gefäßen und drainierenden Venen ist jedoch selbst unter mikroskopischer Betrachtung meist nicht eindeutig. Die Indocyaningrün (ICG)-Videoangiographie ist ein intraoperatives Verfahren, das eine zeitaufgelöste fluoreszenzbasierte Darstellung der Gefäße ermöglicht. Ziel dieser Untersuchung ist es, Empfehlungen zu geben, in welchen Hämangioblastom-Fällen diese Technik für eine sichere En-bloc-Tumorresektion von Vorteil ist.
Morphologie, Lokalisation und Genmutation von zerebralen Hämangioblastomen bei VHL Patienten und deren Einfluss auf die Behandlungsstrategie
Ansprechpartner: Frau Dr. M. Krüger, Prof. Dr. J.-H. Klingler, Prof. Dr. S. Gläsker (Brüssel)
Die retrospektive Untersuchung umfasst die Charakterisierung von VHL Patienten mit insgesamt mehreren hundert zerebralen Hämangioblastomen hinsichtlich der bildgebenden Morphologie, Lokalisation und Genmutation. Aus den gewonnenen Erkenntnissen und dem Therapieverlauf sollen Behandlungsstrategien abgeleitet werden.
Abgeschlossene Forschungsarbeiten
Spinales Paragangliom als ungewöhnlicher Befund bei der von-Hippel-Lindau-Krankheit
In dieser Arbeit wird der ungewöhnliche Befund eines spinalen Paraganglioms bei einem 20-jährigen Patient mit von-Hippel-Lindau-Krankheit berichtet.
Nach Embolisation der versorgenden Blutgefäße wurde der Tumor mittels Hemilaminektomie von des 5. Brustwirbels vollständig reseziert. Der postoperative Verlauf war unauffällig ohne operationsbedingte Morbidität. Die pathologische Untersuchung ergab ein Paragangliom WHO Grad I. In der Arbeit werden die Differentialdiagnosen und Fallstricke dieses unerwarteten Befundes bei einem Patienten mit von-Hippel-Lindau-Krankheit diskutiert.
Klingler JH, Elsheikh S, Doostkam S, Krüger MT, Blaß BI, Steiert C: Spinal paraganglioma as unusual finding in von Hippel-Lindau disease. J Clin Neurosci. 2020 Jul;77:217-221. oi: 10.1016/j.jocn.2020.05.025.
Hämangioblastome und die von-Hippel-Lindau-Krankheit: genetischer Hintergrund, Krankheitsspektrum und neurochirurgische Behandlung.
Hämangioblastome sind seltene, histologisch gutartige, stark vaskularisierte Tumoren des Gehirns, des Rückenmarks und der Netzhaut, die sporadisch oder im Zusammenhang mit der autosomal-dominant vererbten von-Hippel-Lindau (VHL)-Krankheit auftreten. Kinder oder Erwachsene mit VHL-Krankheit haben eine von >300 bekannten Keimbahnmutationen des auf Chromosom 3 lokalisierten VHL-Gens und neigen somit dazu, Hämangioblastome zu entwickeln. Extrem selten geschieht dies bereits ab dem 6. Lebensjahr, selten im Alter von 12-18 Jahren und typischerweise und fast immer im Erwachsenenalter. Es gibt eine Fülle von VHL-assoziierten Tumoren und Zysten, hauptsächlich in der Niere, der Bauchspeicheldrüse, den Nebennieren, den Fortpflanzungsorganen und dem zentralen Nervensystem. In Ermangelung einer kausalen Behandlung stehen die Linderung der Symptome und die Verhinderung bleibender neurologischer Ausfälle sowie der malignen Transformation im Vordergrund. Die geringe Datenlage und der nichtlineare Verlauf der Tumorprogression machen das Management von pädiatrischen VHL-Patienten mit Hämangioblastomen zu einer Herausforderung.
Das Freiburger Screening-Protokoll wurde durch die Kombination von Daten aus der Literatur und unserer Erfahrung aus Untersuchungen von jährlich >300 VHL-Patienten an unserem universitären VHL-Zentrum ausgearbeitet.
Die wichtigsten Empfehlungen sind der Beginn des Screenings von Risikopatienten durch Funduskopie mit erweiterten Pupillen auf Netzhauttumoren bei der Einschulung. Die Kontrolle mittels MRT des Gehirns und Rückenmarks beginnt im Alter von 14 Jahren, dann weiter halbjährlich bis zum Alter von 18 Jahren. Bei Auftreten von neurologischen Symptomen erfolgt eine MRT Untersuchung unmittelbar. Die Indikation zur Operation sollte nach wie vor individuell gestellt und durch ein erfahrenes interdisziplinäres VHL-Board gestützt werden. Dabei betrachten wir neurologische Symptome, schnelles Tumorwachstum sowie kritisch große Tumor-/Zystengrößen als die wichtigsten Indikatoren zur Entfernung von Hämangioblastomen. Da wiederholte Operationen an Hämangioblastomen bei VHL-Patienten nicht selten sind, sollten moderne neurochirurgische Techniken mikrochirurgische Eingriffe, Neuronavigation, intraoperatives Neuromonitoring, intraoperative ICG-Angiographie, intraoperativen Ultraschall und minimal-invasive Ansätze umfassen, denen in ausgewählten Fällen eine endovaskuläre Embolisation vorausgeht. Hochspezialisierte Neurochirurgen sind in der Lage, bei der Entfernung von Hämangioblastomen des Kleinhirns und des Rückenmarks ein sehr geringes Risiko einer dauerhaften Morbidität zu erreichen. Kleine Tumore der peripheren Netzhaut können durch Laserkoagulation, größere Tumore durch Kryokoagulation oder Brachytherapie behandelt werden.
Für Patienten mit der VHL Krankheit ist ein sorgfältiges Screening mit Überwachung asymptomatischer Läsionen in erfahrenen interdisziplinären VHL-Zentren obligat, um unnötige Operationen zu vermeiden und die Morbidität zu minimieren.
Klingler JH, Gläsker S, Bausch B, Urbach H, Krauss T, Jilg CA, Steiert C, Puzik A, Neumann-Haefelin E, Kotsis F, Agostini H, Neumann HPH, Beck J: Hemangioblastoma and von Hippel-Lindau disease: genetic background, spectrum of disease, and neurosurgical treatment. Childs Nerv Syst. 2020 Oct;36(10):2537-2552. doi: 10.1007/s00381-020-04712-5.
Operative Morbidität bei VHL-Patienten nach mehrfacher Resektion zerebellärer und medullärer Hämangioblastome
Patienten mit der VHL Krankheit entwickeln oft multiple Hämangioblastome im Bereich des Kleinhirns und Rückenmarks. Der ideale Zeitpunkt der chirurgischen Intervention ist schwierig zu bestimmen und hängt erheblich von der zu erwartenden operativen Morbidität ab.
Die vorliegende Untersuchung ergab, dass die chirurgische Entfernung multipler Hämangioblastome des Kleinhirns nicht mit einer kumulativen Morbidität verbunden ist. Obwohl es eine gewisse kumulative chirurgische Morbidität gibt, die durch Operationen im Rückenmark verursacht wird, nimmt ihr Ausmaß nicht mit der Anzahl der durchgeführten Operationen zu. Die mikrochirurgische Entfernung von asymptomatischen Tumoren mit bildgebend nachgewiesener Größenzunahme kann auch bei Patienten mit multiplen Tumoren und früheren Operationen in Betracht gezogen werden.
Vergauwen E, Steiert C, Krüger MT, Jilg C, Zschiedrich S, Klingler JH, Van Velthoven V, Gläsker S: Cumulative surgical morbidity in patients with multiple cerebellar and medullary hemangioblastomas. Clin Neurol Neurosurg. 2020 Oct;197:106111. doi: 10.1016/j.clineuro.2020.106111.
Minimal-invasive Resektion spinaler Hämangioblastome
In einer retrospektiven Untersuchung werden Erfahrungen und Technik der minimal-invasiven Resektion ausgewählter spinaler Hämangioblastome beschrieben. Hierbei kommen expandierbare und nicht expandierbare tubuläre Zugangssysteme zum Einsatz, um die Rückenmuskulatur während des operativen Zuganges zu schonen.
Beitrag in den Orthopädischen Nachrichten 11.2019
Beitrag über die minimal-invasive Entfernung von Hämangioblastomen in den Orthopädischen Nachrichten 11.2019 (mit freundlicher Genehmigung des Biermann Verlages).
Download Beitrag in den Orthopädischen Nachrichten 11.2019 (PDF, 1.5 MB)
Minimal-invasive Resektion zerebellärer Hämangioblastome
Die Arbeit beschreibt die Voraussetzungen, Techniken und Tipps zur minimal-invasiven tubulären Resektion von Hämangioblastomen im Kleinhirn. Gerade Patienten mit der von Hippel-Lindau-Krankheit weisen in der Regel mehrere Tumore auf, die im Laufe ihres Lebens wiederholt operiert werden müssen. Da bei wiederholten Operationen ein erhöhtes Risiko für eine zugangsbedingte Morbidität besteht, kann eine minimal-invasive Operationstechnik für Hämangioblastome in der hinteren Schädelgrube vorteilhaft sein.
Aktuelle diagnostische und therapeutische Strategien in der Behandlung von ZNS Hämangioblastomen bei VHL Patienten
Die Arbeit gibt einen Überblick über aktuelle diagnostische und therapeutische Strategien in der Therapie von Hämangioblastomen des zentralen Nervensystems. Hierbei werden Patienten mit der VHL Krankheit besonders berücksichtigt.
Krüger MT, Klingler JH, Steiert C, Jilg C, Zschiedrich S, Bausch B, Van Velthoven V, Gläsker S: Current diagnostic and therapeutic strategies in treatment of CNS hemangioblastomas in patients with VHL. J Transl Med Epidemiol 2(1):1016
Open access Artikel unter:
www.jscimedcentral.com/TranslationalMedicine/translationalmedicine-spid-von-hippel-lindau-disease-1016.pdf
Sequenzvariationen im VHL Tumorsuppressorgen bei Patienten mit intrakraniellen Aneurysmen
Die Ruptur von intrakraniellen Aneurysmen führt zur lebensbedrohlichen Subarachnoidalblutung. Eine präventive Behandlung von nicht rupturierten Aneurysmen ist möglich und oftmals zu empfehlen. Eine geeignete Screeningmethode zur Identifikation von Patienten mit Aneurysmen steht weiterhin nicht zur Verfügung. Ziel der Forschungsarbeit war die Untersuchung das VHL Gens als mögliches Kandidatengen bei 200 Patienten mit intrakraniellen Aneurysmen. Insgesamt 14 der 200 Patienten wiesen Sequenzvariationen auf sechs unterschiedlichen Genloci des VHL Gens auf, wohingegen bei 100 Probanden einer Kontrollgruppe keine Sequenzvariation gefunden wurde. Somit könnten auch Variationen im VHL Gen bei einer Untergruppe von Patienten die Ausbildung intrakranieller Aneurysmen beeinflussen.
Hämangioblastome und neurogene Polyglobulie
Patienten mit Hämangioblastomen können eine neurogene Polyglobulie mit Erhöhung des Hämoglobinwertes aufweisen. Dies wurde auf eine extramedulläre Hämatopoese im Tumorgewebe sowie Mutationen im VHL Tumorsuppressorgen zurückgeführt.
Die Studie bestätigt dieses Phänomen der neurogenen Polyglobulie in einer Subgruppen von 164 Patienten mit Hämangioblastomen. VHL Patienten weisen eine neurogene Polyglobulie häufiger als die Normalbevölkerung auf. Die operative Entfernung des Tumors führte zur dauerhaften Beseitigung der Polyglobulie. Diese Erkenntnisse lassen vermuten, dass die Polyglobulie in VHL Patienten auf Hämangioblastome zurückzuführen ist.
Besonderheiten und Fallstricke in der Behandlung von ZNS Hämangioblastomen und der VHL Krankheit
Die Arbeit gibt einen Überblick über aktuelle Strategien in der Therapie von Hämangioblastomen. Dabei wird insbesondere auf die wesentlichen Besonderheiten und Fallstricke in der Behandlung von Hämangioblastomen unter besonderer Berücksichtigung der VHL Krankheit eingegangen.
Untersuchungen zur Polyglobulie in Relation zu der Größe von Hämangioblastomen und dem Erythropoietin-Spiegel
Die Polyglobulie bei Patienten mit Hämangioblastomen kann ein höheres Risiko für Schlaganfälle, Herzinfarkte und Lungenembolien beinhalten. Der zugrunde liegende Pathomechanismus bei Patienten mit Hämangioblastomen ist weiterhin ungeklärt. Im Rahmen der Forschungsarbeit wurde die Korrelation zwischen Polygobulie und Erythropoietin-Serumspiegel und der Größe der Hämangioblastome (solider sowie zystischer Anteil) untersucht. Die Analyse von 33 Patienten zeigte entgegen früherer Fallberichte keine Korrelation der Polyglobulie und Erythropoietin-Spiegel mit der Größe der Tumorzysten. Vielmehr korrelierte hingegen die Größe des soliden Tumoranteils mit der Polyglobulie. Weitere Untersuchungen insbesondere der molekularen Mechanismen im soliden Tumoranteil sind erforderlich, um die verursachenden Parameter der Polyglobulie besser zu verstehen.
Stand: Februar 2021
Prof. Dr. med. Jan-Helge Klingler
Geschäftsführender Oberarzt
Dr. med. Christine Gizaw
Fachärztin für Neurochirurgie, Funktionsoberärztin