AG Kognitive Entwicklungspsychiatrie
Kognitive Entwicklung - Teilprojekt 2: Neuropsychiatric perspective: The development of planning and related cognitive functions in children with autism and ADHDEinführung
Die Fähigkeit, ein Ziel bewusst gedanklich vorwegzunehmen und planvoll zu handeln, ist für Menschen existenziell. Planungsfähigkeiten entwickeln sich im Laufe des Lebens, wenn auch nicht gleichförmig mit derselben Geschwindigkeit. Kinder unter 5 Jahren sind im Vergleich zu älteren Kindern noch nicht in der Lage, Zwischenziele zur optimalen Lösung von Planungsaufgaben zu generieren. Diese Fähigkeit tritt im 6. Lebensjahr auf und entwickelt sich dann in fast linearem Anstieg vom 7. bis zum 12. bzw. 13. Lebensjahr. In Studien mit Erwachsenen wurde bei der erfolgreichen Bearbeitung von Zwischenzielen während Planungsleistungen eine erhöhte Aktivierung im präfrontalen Kortex (vorderer Bereich des Frontalhirnlappens) beobachtet. Die neuronale Entwicklung dieser Hirnregion ist erst im frühen Erwachsenenalter abgeschlossen.
Autistische Störungen sind gekennzeichnet durch qualitative Beeinträchtigungen in den Bereichen der sozialen Interaktion und der Kommunikation sowie durch begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten. Bezüglich der neurobiologischen Korrelate dieser tiefgriefenden Entwicklungsstörungen gibt es viele Hinweise in der Literatur für Abnormitäten im Frontalhirn und entsprechend auch für Defizite bei Planungsleistungen bei Menschen mit Autismus. Besonders jüngere Kinder mit Autismus sind am stärksten betroffen und nähern sich erst mit steigendem Alter dem Niveau typisch entwickelter Kinder an. Zudem mehren sich die Hinweise, dass vor allem vergrößerte Hirnvolumina im präfrontalen Kortex bei Menschen mit Autismus im frühen Kindesalter auftreten, welche durch eine fehlgeleitete Synaptogenese und Synapseneliminierung verursacht werden. Diese abweichende Entwicklung führt zum so genannten Diskonnektionssyndrom, welches durch eine zu hohe neuronale Verschaltung innerhalb des Frontallappens mit zu geringen Verbindungen zu weiter entfernten Hirnregionen gekennzeichnet ist. Solche Befunde könnten z. B. auch das Phänomen der schwachen zentralen Kohärenz bei Menschen mit Autismus erklären, d. h. die häufig sehr gute perzeptuellen Fähigkeiten bei der Wahrnehmung lokaler Details, aber gleichzeitig Schwierigkeiten wesentliche globale Informationen zu erfassen (durch intakte primäre kortikale Verarbeitungsareale, aber fehlende Feedbackmechanismen höherer frontaler Assoziationsareale).
Verminderte Planungsleistungen lassen sich auch bei Kindern mit ADHD nachweisen, was sich in diesem Fall aber vor allem auf nicht adäquate Inhibitionsleistungen zurückführen lässt. Bezüglich der Neuroanatomie diskutiert man bei ADHD einen pathologischen Mechanismus im frontostriatalen Regelkreis, eventuell unter Einbezug des Cerebellums.
Ziele:
Ziel des vom BMBF genehmigten Verbundprojektes "Cognitive development and related neurophysiological and -anatomical changes from early to late childhood" (siehe Kooperationen) ist die Erforschung der Entwicklung komplexer kognitiver Funktionen, v. a. der Planungsleistungen, im Kindesalter bei gesunden Kindern und Kindern mit Entwicklungsstörungen. Hierzu wird die Tower of London-Aufgabe (ToL) von Shallice (1982) angewandt, wohl das am besten untersuchte und meist angewandte Testverfahren zur Messung von Planungsfähigkeiten (Unterrainer u. Owen, 2006). Das übergeordnete Ziel dieses Vorhabens besteht in der Zusammenführung von kognitiven, neuroanatomischen und neurophysiologischen Daten zu einer für Planungsfähigkeiten sehr bedeutsamen Entwicklungsphase.
Dafür werden typisch entwickelte Kinder, Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung und Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätstörung (ADHD)
- anhand neuropsychologischer Testverfahren bezüglich ihrer basalen Exekutiv- und Planungsfunktionen,
- mittels Magnetresonanztomographie (MRT) bezüglich ihrer neuroanatomischen Strukturen bzw. Entwicklung (VBM und DTI) und
- anhand funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) im Hinblick auf deren Hirnaktivierungsmuster während spezifischer Planungsleistungen
untersucht.
Das Teilprojekt der Klinik für Psychiatrie im Kindes- und Jugendalter „The development of planning and related cognitive functions in children with autism and ADHD“ beinhaltet als Kernpunkt die Detektierung eines differenzierbaren krankheitsspezifischen Profils für Autismus und ADHD, um die Phänomenologie und den Pathomechanismus dieser kognitiven Entwicklungsstörungen besser verstehen zu können. Im Rahmen dieses Projekts werden 60 Kinder mit einer hochfunktionalen Autismus-Spektrum-Störung (High-Functioning-Autismus/Asperger Syndrom: HFA/AS) und 60 Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Alter zwischen 6 und 12 Jahren unterschiedlichen neuropsychologischen Verfahren unterzogen. Diese Testverfahren beinhalten die bereits erwähnten Planungstests mit dem Tower of London sowie die Erfassung von intellektuellen Fertigkeiten, Aufmerksamkeitsleistungen, Arbeitsgedächtnis, Inhibition und kognitiver Flexibilität. Die Daten werden mit denen von 60 typisch entwickelten Kindern verglichen, die bezüglich Alter, Geschlecht und kognitiver Leistungsfähigkeit vergleichbar sind.
Hirnaktivierungs- und hirnanatomische Daten werden bei all diesen Kindern in Kooperation mit der Neurologie und Neuroradiologie erhoben und mit den Verhaltensdaten in Verbindung gesetzt. Insbesondere soll die Aktivierung der präfrontalen Hirnregionen bei der Lösung der Planungsaufgaben in Beziehung zur strukturellen Reifung dieser Regionen gebracht werden. Die zerebrale Aktivierung während der Planungsleistungen wird mittels funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) erfasst (ein nicht invasives Verfahren, das erlaubt während der Aufgabenbearbeitung den Kopf relativ frei zu bewegen), während die Hirnmorphologie in der Magnetresonanztomographie (MRT oder Kernspintomographie) dargestellt wird.
In diesem Verbundprojekt werden Verhaltens-, Hirnaktivierungs- und hirnanatomische Daten derselben Probanden erfasst, wodurch erstmalig eine aufeinander bezogene Auswertung ermöglicht wird. Der Vergleich von typisch entwickelten Kontrollen mit klinischen Gruppen in unserem Teilprojekt verspricht Einsichten in die neurokognitiven Hintergründe der Entwicklungsstörungen.
Leitung
- PD Dr. med. Monica Biscaldi-Schäfer
- Dr. phil. Reinhold Rauh
Mitarbeiter
Gemeinsame Postanschrift:
Klinik KJPP
AG Kognitive Entwicklungspsychiatrie
[Name]
Hauptstr. 8
D-79104 Freiburg
Name | Funktion | |
Irion, Lisa | cand. med. | Stud. Hilfskraft |
Schaller, Ulrich Max | cand. psych. | Diplomandin / Stud. Hilfskraft |
Weßlau, Charlotte | cand. psych. | Diplomandin / Stud. Hilfskraft |
Kooperationspartner
- Prof. Dr. Josef Unterrainer, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Duesbergweg 6, 55128 Mainz
- Dr. Christoph Kaller, Research Group "Experimental Neuropsychology", Dept. of Neurology and Neurophysiology, Neurocenter, University Medical Center Freiburg
- Prof. Dr. Christoph Klein, School of Psychology, Bangor, University of Wales, UK
- Prof. Dr. Irina Mader, Dept. of Neuroradiology, Neurocenter, University Medical Center Freiburg
- Prof. Dr. Joachim Spreer, Sektion Neuroradiologie, Kliniken der Stadt Köln
- Prof. Dr. Cornelius Weiller, Dept. of Neurology and Neurophysiology, Neurocenter, University Medical Center Freiburg