Seltene Erkrankungen europaweit erforschen und behandeln
ForschungDas Freiburg Zentrum für Seltene Erkrankungen ist an zehn von 23 europäischen Referenznetzwerken beteiligt. Dadurch soll die Behandlung und Betreuung von Patienten mit seltenen Erkrankungen verbessert werden. © Photographee.eu/ Fotolia
(28.02.2017) Am 28. Februar ist der Internationale Tag der Seltenen Erkrankungen: Rund 30 Millionen Menschen leiden in Europa an einer von 8.000 Seltenen Erkrankungen. Meist leben an einem Ort aber nur sehr wenige Patientinnen und Patienten, die von der gleichen Krankheit betroffen sind. Das erschwert die notwendige hochspezialisierte Behandlung sowie die Entwicklung neuer Therapien. Um den Wissensaustausch und die fachübergreifende Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen am Universitätsklinikum Freiburg zu bündeln, wurde bereits 2009 das Freiburg Zentrum für Seltene Erkrankungen gegründet. Um auch die grenzübergreifende Behandlung und Betreuung von Patienten mit seltenen Erkrankungen zu verbessern, hat die Europäische Union Anfang 2017 gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten 23 europäische Referenznetzwerke (ERN) ins Leben gerufen. Das Universitätsklinikum Freiburg ist an zehn dieser ERNs beteiligt. Die Netzwerk-Mitglieder zeichnen sich durch große Erfahrung in der Behandlung und höchste Qualität in der Erforschung Seltener Erkrankungen aus. Ziel ist ein europaweiter Wissensaustausch zwischen Experten und mit nicht-beteiligten Ärzten, denen so Unterstützung bei der Behandlung seltener Erkrankungen geboten werden kann.
Seltene Immunkrankheit im Griff
Bei seiner Geburt hatte der Junge eine Lebenserwartung von weniger als fünf Jahren. Sechs HIV-Tests wurden gemacht, weil eine solche Infektion die Lungenentzündungen, Asthmaanfälle, Hautauschläge und Pilzentzündungen noch am besten zu erklären schien, unter denen der Junge regelmäßig litt. Erst mit Anfang 20 brachte ein Gentest Gewissheit, dass der Patient am Hyper-IgE-Syndrom leidet, einer schweren Störung der Immunabwehr von Bakterien und Pilzen. Von den weltweit nicht einmal 1.000 Patienten werden einige am Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) des Universitätsklinikums Freiburg betreut. Weil sich die Symptome im Einzelnen stark unterscheiden, wird die Krankheit oft spät erkannt. Als der junge Mann mit Anfang 20 zum ersten Mal ans CCI kam, ging es ihm so schlecht, dass er sein Studium aufgeben wollte. Prof. Dr. Bodo Grimbacher, Wissenschaftlicher Direktor des CCI, konnte für den Patienten die richtige Behandlung aus regelmäßiger Antikörper-Infusion, Antibiotikatherapie und weiteren Maßnahmen entwickeln. Damit kann die Erkrankung gut behandelt werden. Für diese individuelle Betreuung ist der Patient sogar von Norddeutschland nach Freiburg gezogen und führt hier derzeit sein Studium zu Ende. Auch wenn er seine Krankheit heute im Griff hat, hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, eines Tages geheilt zu werden. Am CCI wird derzeit an einer Genschere geforscht, die sein kaputtes Gen außer Gefecht setzen und ihn damit heilen könnte.
Kleinkind mit besorgniserregenden Lachanfällen
Fünfmal am Tag erlitt der Junge einen epileptischen Anfall, als sich die Familie mit dem acht Monate alten Kind erstmals am Universitätsklinikum Freiburg vorstellte. Eine medikamentöse Therapie war bislang erfolglos. Im Gespräch erzählten die Eltern, dass der Säugling immer wieder heftig lachte. Die Ärzte um Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage, Leiter des Epilepsiezentrums an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg, und Dr. Alexandra Klotz, Fachärztin am Epilepsiezentrum, vermuteten dahinter eine seltene Form der Epilepsie aus einer tiefen Hirnstruktur; dies bestätigte sich in hochauflösenden Schnittbildern des Gehirns. Nur etwa sieben Kinder werden jährlich in Deutschland mit dieser seltenen Epilepsieform geboren. Während „Lachanfälle“ zunächst harmlos klingen, kommt es mit der Zeit häufig zu Störungen des Verhaltens und der geistigen Entwicklung. Daher empfahlen die Freiburger Ärzte einen frühen chirurgischen Eingriff; als das Kind eineinhalb Jahre alt war, wurde ein neues minimalinvasives Verfahren eingesetzt, um die Verbindung des etwa erbsengroßen, anfallsauslösenden Gewebes im Gehirn zu anderen Hirnbereichen teilweise zu unterbrechen. Bereits nach der ersten Behandlung ereignet sich nur noch einmal täglich ein Anfall; da das Kind sich hierunter völlig normal entwickelt, ist zurzeit keine weitere Behandlung erforderlich.
Tödliche Muskelschwäche behandelbar
Die Familie hatte bereits ein Kind im Alter von acht Monaten verloren, weil es an Spinaler Muskelatrophie (SMA) Typ I litt. Bei der häufigsten genetischen Todesursache von Kindern sterben im Rückenmark Nervenzellen ab, die unter anderem die Atemmuskeln steuern. Das führt oft in den ersten Lebensjahren zum Tod durch eine Atemlähmung. Aufgrund der familiären Vorbelastung veranlasste Prof. Dr. Jan Kirschner, Leitender Oberarzt der Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg, beim zweiten Kind direkt nach der Geburt einen genetischen Test. Noch bevor sich erste Anzeichen der Krankheit zeigten, wussten die Ärzte, dass auch dieses Kind unbehandelt eine schwere Form der Spinalen Muskelatrophie entwickeln würde. Im Alter von nur wenigen Wochen konnte das Mädchen in Freiburg im Rahmen einer klinischen Studie mit einem neu entwickelten Wirkstoff, Nusinersen, behandelt werden. Dieser Wirkstoff bremst erstmals die krankhafte Nervenschädigung. Das kleine Mädchen ist heute neun Monate alt und konnte sich durch die Behandlung fast normal entwickeln. Sie sitzt mittlerweile ohne Hilfe, was eigentlich bei der SMA Typ I nie möglich ist.
Weitere Informationen:
Freiburg Zentrum für Seltene Erkrankungen
Centrum für Chronische Immundefizienz – CCI
Abteilung Prächirurgische Epilepsiediagnostik - Epilepsiezentrum der Klinik für Neurochirurgie
(JF)
Prof. Dr. Jan Kirschner
Stellvertretender Sprecher
Freiburg Zentrum Seltene Erkrankungen
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