Ist glutenfreie Kost schädlich für Gesunde?
GastroenterologieAuch viele Gesunde meiden glutenhaltige Lebensmittel, weil sie sich eine positive Wirkung auf die Gesundheit versprechen. © Daniela Staerk / fotolia.de
(19.05.2017) Immer mehr Menschen ernähren sich bewusst glutenfrei. Für Patienten mit Zöliakie oder Gluten-Unverträglichkeit ist eine solche Ernährung essentiell. Gesunde profitieren nicht – im Gegenteil.
Brot, Nudeln oder Müsli: Auf immer mehr Lebensmitteln wird damit geworben, dass sie glutenfrei sind. Gluten, auch als Klebereiweiß bezeichnet, ist vor allem in Weizen und Dinkel enthalten, aber auch in Roggen, Hafer und Gerste. Dieses Eiweiß führt bei bis zu einem Prozent der Bevölkerung zu einer schweren Entzündungsreaktion im Darm, die als Zöliakie bezeichnet wird. „Für diese Menschen ist eine glutenfreie Ernährung essentiell, um eine Mangelernährung und langfristige Komplikationen wie Lymphdrüsenkrebs zu verhindern“, sagt Privatdozent Dr. Peter Hasselblatt, Leiter der Darmambulanz an der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Freiburg.
Neben der Zöliakie rückt das Krankheitsbild der Gluten-Unverträglichkeit immer stärker in den Fokus der Medizin. Hierbei kommt es in Folge einer Unverträglichkeit zu Symptomen wie Durchfall, Blähbauch und extremer Müdigkeit nach dem Essen. Anders als die Zöliakie führt die Glutenunverträglichkeit aber nicht zu langfristigen Komplikationen.
Aber auch ohne Diagnose und ohne ausgeprägte Symptome durch den Arzt greifen viele Menschen zu glutenfreien Produkten. Die Gründe dafür sind vielfältig. „Viele Menschen gehen davon aus, dass Gluten ungesund ist und hoffen auf allgemein gesundheitssteigernde Effekte der Diät wie Gewichtsverlust oder einen Schutz für die Herzkranzgefäße“, sagt der Gastroenterologe.
Eigenmächtige Umstellung kann gesundheitsschädlich sein
Doch wissenschaftlich belegt ist bei Gesunden weder ein positiver Effekt auf das Körpergewicht noch auf die Herzgesundheit oder auf die allgemeine Fitness. „Eine aus diesem Grund durchgeführte langfristige Umstellung der Ernährung ist nicht zu empfehlen: Sie ist teuer und kann sogar gesundheitsschädlich sein“, sagt der Experte des Universitätsklinikums Freiburg.
Weizen enthält besonders viel Gluten. Das ist aber für Gesunde kein gesundheitliches Problem. © Petra Reinartz / fotolia.de
Das haben jetzt auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer großen US-amerikanischen Studie belegt. Sie werteten zwei Beobachtungsstudien aus, in denen 45.000 Frauen und 65.000 Männer seit gut 30 Jahren alle vier Jahre zu ihrem Gesundheitszustand befragt wurden. Personen, die sich besonders glutenreich, also beispielsweise mit viel Weizen, ernährten, waren genauso gesund wie der Durchschnitt.
Bei Studienteilnehmern hingegen, die eine besonders glutenarme Kost zu sich nahmen, wurde etwas häufiger als im Schnitt eine Herzerkrankung diagnostiziert. Die Gründe könnten in der stark veränderten Ernährung liegen, die bei Glutenverzicht notwendig ist. Denn dafür ist es unter anderem notwendig, Vollkornprodukte zu meiden. Für Vollkornprodukte wurde aber ein herzschonender Effekt nachgewiesen. „So kann eine solche Low-Gluten-Diät die Gesundheit belasten statt sie zu fördern“, sagt Dr. Hasselblatt.
Was tun bei Verdacht auf Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit?
Wer auf den Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel mit starken Verdauungsbeschwerden reagiert, sollte einen Facharzt aufsuchen. Denn gerade eine Glutenunverträglichkeit ist schwer zu diagnostizieren. „Wichtig ist, dass eine Gluten-Diät nicht auf eigene Faust durchgeführt wird. Das erschwert letztlich auch den Nachweis einer möglichen Zöliakie oder Unverträglichkeit“, rät Dr. Hasselblatt.
Kontakt für betroffene Erwachsene:
Magen-Darm-Ambulanz
PD Dr. Peter Hasselblatt
Klinik für Innere Medizin II
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-33080
peter.hasselblatt@uniklinik-freiburg.de
Weitere Informationen:
Klinik für Innere Medizin (Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie und Infektiologie)
Pädiatrische Gastroenterologie, Universitätsklinikum Freiburg Kontaktstelle für Familien mit betroffenen Kindern
Studie im British Medical Journal
(JF)
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