Herzfehler am Lebensanfang schneller erkennen
Pädiatrische KardiologieBei der Pulsoxymetrie misst man mit Hilfe eines Lichtsensors am Füßchen den Sauerstoffgehalt im Blut des Neugeborenen. © Universitätsklinikum Freiburg
(14.03.2017) Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 7.000 Kinder mit einem Herzfehler geboren. Bei jedem zehnten dieser Kinder ist der Herzfehler so gravierend, dass er ohne medizinische Behandlung lebensbedrohlich ist. Doch nur bei einem Teil der Kinder ist das Risiko vor der Geburt bekannt. Mit einem neuen Screening werden jetzt alle Neugeborenen in Deutschland untersucht. So können gefährdete Kinder identifiziert werden, noch bevor sie erste Anzeichen einer Herzschwäche zeigen. Professor Dr. Brigitte Stiller, Ärztliche Direktorin der Klinik für Angeborene Herzfehler und Pädiatrische Kardiologie, hat in den vergangenen fünf Jahren intensiv für die Einführung des Screenings gekämpft.
Frau Professor Stiller, wer profitiert am meisten von dem neuen Screening?
Das sind die Neugeborenen mit einem schweren unerkannten Herzfehler. Etwa die Hälfte aller Herzfehler wird in der Schwangerschaftsvorsorge in Deutschland nicht mit dem Vorsorge-Ultraschall entdeckt. Diesen Babys kann nun geholfen werden, bevor sie in einen Kreislaufschock geraten. Bislang zeigte sich das Problem oft erst, wenn ein zunächst gesund erscheinendes Baby am vierten bis sechsten Lebenstag akut schwerst krank wurde, und die Durchblutung des Körpers nicht mehr richtig funktionierte. Diese Kinder entwickelten in Kürze schwere gesundheitliche Schäden an Herz und Körper. Dann ist es für Hilfe oft schon zu spät, was immer sehr traurig ist.
Wie funktioniert das Screening?
Bei der Pulsoxymetrie misst man mit Hilfe eines Lichtsensors am Füßchen den Sauerstoffgehalt im Blut des Neugeborenen. Es ist keine Blutabnahme für diese Untersuchung nötig. Sie ist absolut schmerzfrei und dauert nur wenige Sekunden. Der Sensor ist mit einem Monitor verbunden, der das Ergebnis der Sauerstoffsättigung unmittelbar anzeigt. Sauerstoffsättigungswerte zwischen 95 und 100 Prozent sind normal. Zu wenig Sauerstoff weist auf einen kritischen angeborenen Herzfehler hin, der schnellstmöglich behandelt werden muss.
Was kann durch die Früherkennung verhindert werden?
Durch eine frühzeitige Behandlung kann ein Kreislaufschock, ein Herzversagen und die Minderdurchblutung lebenswichtiger Organen verhindert werden. Eine sehr frühe Diagnose nach der Geburt ist so wichtig, weil im Mutterleib sogar Kinder unauffällig sind, bei denen der Blutkreislauf aufgrund von anatomischen Fehlbildungen nicht ausreichend über die Lunge funktioniert. Vor der Geburt wird die Lunge ja nicht gebraucht. Das Blut der Feten wird über die Plazenta mit Sauerstoff versorgt und gelangt durch einen Verbindungsgang zwischen der Körper- und der Lungenschlagader wieder in den Körper. Dieser Verbindungsgang verschließt sich jedoch üblicherweise in den ersten Stunden oder Tagen. Kann das Blut dann weder über die Lunge noch durch den Verbindungsgang fließen, sind schwerste Durchblutungsstörungen vorprogrammiert. Durch das Screening sehen wir sofort, wenn die Sauerstoffversorgung niedrig ist. Durch eine erweiterte Diagnostik können wir dann herausfinden, ob ein Kind diesen Verbindungsgang übergangsweise benötigt und ihn mit einem Medikament solange offen halten, bis das Kind in einem spezialisierten Herzzentrum operiert wird.
Wo und wann wird das Screening durchgeführt?
Das Screening wird am Universitätsklinikum Freiburg routinemäßig bei jedem Kind innerhalb der ersten 48 Stunden durchgeführt. So sollte es in allen Geburtskliniken sein. Bei Kindern, die als Hausgeburt oder im Geburtshaus zur Welt kommen, sollte die Hebamme oder der Kinderarzt das Pulsoxymetrie-Screening bei dem Baby machen. Der beste Zeitpunkt für diese Früherkennungsuntersuchung liegt zwischen der 24. und 48. Lebensstunde. Bei ambulanten Geburten im Krankenhaus kann diese Untersuchung allerdings auch vorgezogen werden. Frühestens vier Stunden nach der Geburt sollte sie erfolgen.
Seit wann kämpfen Sie für die Einführung des Screenings?
Ich bin seit fünf Jahren Präsidentin und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kinderkardiologie. Als Fachgesellschaft verfolgen wir seit dieser Zeit die Einführung dieses sehr einfachen und preiswerten Screenings für alle Neugeborenen. Die Elternverbände haben uns bei der Forderung zur bundesweiten Einführung des Pulsoxymetriescreenings intensiv unterstützt.
(JF)
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