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Blutkrebs: Forschung mit Herz und Verstand

Hämatologie

(14.10.2024) Prof. Dr. Heike Pahl, Leiterin der Sektion für Molekulare Hämatologie der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg, hat eine tief persönliche Verbindung zur Blutkrebsforschung. Im Interview spricht sie über ihre Motivation, die Herausforderungen bei der Behandlung von Blutkrebs und ihre Hoffnungen für die neue DFG-Forschungsgruppe TARGET-MPN.

Frau Prof. Pahl, was hat Sie persönlich dazu bewegt, sich für die Forschung und Bekämpfung von Blutkrebs einzusetzen?

Meine Motivation hat einen sehr persönlichen Grund. Vor vielen Jahren erkrankte meine Mutter an einer myeloproliferativen Neoplasie (MPN). Ihre Diagnose war für mich der Auslöser, mich intensiv mit dieser Krankheitsgruppe zu beschäftigen, und mein Labor, ja meine gesamte Karriere, ihrer Erforschung zu widmen. Heute ist meine Mutter 86 Jahre alt und erfreut sich – dank immer besser werdender Therapien – bester Gesundheit. Aufgrund dieser persönlichen Bindung steckt viel Herzblut in meiner Forschung.

Prof. Dr. Heike Pahl erforscht auch aus persönlichen Gründen Myeloproliferative Neoplasien.

Was genau ist Blutkrebs und wie unterscheiden sich die verschiedenen Arten?

Blutkrebs ist ein Überbegriff für verschiedene Krebserkrankungen des Blutes, die durch eine unkontrollierte Vermehrung von Blutzellen entstehen. Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind eine Untergruppe dieser Erkrankungen, und gehören zu den chronischen Formen, d.h., dass sie in der Regel langsam fortschreiten. Sie können jedoch leider auch in eine Leukämie übergehen. Zu den MPN gehören zum Beispiel die essentielle Thrombozythämie, die Polycythaemia vera und die Myelofibrose.

Warum sind besonders ältere Menschen von MPN betroffen?

Ältere Menschen sind häufiger betroffen, weil sich genetische Mutationen im Laufe des Lebens ansammeln können. Die Regenerations- und Reparaturmechanismen des Körpers verändern sich mit dem Alter, was das Risiko für die Entwicklung vieler Krebserkrankungen, auch einer MPN erhöht. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft gehen wir davon aus, dass die Prävalenz dieser Erkrankungen weiter zunehmen wird. Schon heute sind MPN der vierthäufigste Grund, weshalb Patient*innen Hämatolog*innen oder Onkolog*innen aufsuchen.

Welche neuen Ansätze werden in der Forschung untersucht, um die Behandlung von Blutkrebs zu verbessern?

Im TARGET-MPN-Projekt konzentrieren wir uns auf die genetischen und epigenetischen Veränderungen, die für das Fortschreiten und die leukämische Transformation myeloproliferativer Neoplasien verantwortlich sind. Wir verstehen noch nicht, warum die Erkrankungen bei vielen Patient*innen über Jahre stabil ist, wohingegen sie bei anderen Personen, die die gleichen Mutationen tragen, leider rasch fortschreitet. Wenn wir die Ursache für diesen Progress kennen würden, könnten wir versuchen, Therapien zu entwickeln, die ihn verhindern.

Warum ist es so schwierig, Blutkrebs dauerhaft zu heilen?

Die Herausforderung liegt in der Widerstandsfähigkeit der leukämischen Stammzellen. Oft gelingt es uns, mit einer Therapie die Leukämie einzudämmen, sie in eine Remission zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt ist das Blutbild normal, wir wissen jedoch, dass häufig noch Stammzellen im Knochenmark ruhen, aus denen die Leukämie nach einer Zeit wieder kehrt. Die Stammzellen haben wir mit unserer Therapie leider nicht endgültig ausrotten können. Auch bei den MPN können wir mit heutigen Behandlungsmethoden häufig ein normales Blutbild erreichen, die Krankheit endgültig heilen können wir jedoch bisher nur mit einer Knochenmarktransplantation.

Kürzlich wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die DFG-Forschungsgruppe TARGET-MPN bewilligt und mit insgesamt 5,1 Millionen Euro gefördert. Sie sind Co-Sprecherin der Forschungsgruppe. Wie könnte diese Forschung in Zukunft die Therapie von Blutkrebs, insbesondere von MPN, beeinflussen?

Die Erkenntnisse der neuen DFG-Forschungsgruppe sollen dazu beitragen, neue gezielte Therapien zu entwickeln, die das Fortschreiten der Erkrankungen verhindern. Im besten Fall, wollen wir Behandlungen finden, welche die Stammzellen, aus denen die Krankheiten entstehen, reduzieren oder eliminieren, so dass langfristig ein Leben auch ohne Therapie möglich ist. Bei einer den in TARGET-MPN untersuchten Krankheiten sehr verwandten Entität, der chronischen myeloischen Leukämie (CML), gelingt diese sogenannte „therapiefreie Remission“ schon in einem Teil der Patient*innen. Es ist jedes Mal eine riesige Freude, wenn ich einem CML-Patienten oder einer CML-Patientin sagen kann „Ihre Leukämie kommt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit jetzt auch ohne Therapie nicht mehr zurück“. Das wünsche ich mir für meine MPN-Patienten auch – und daran arbeiten wir in TARGET-MPN.

Prof. Dr. Heike L. Pahl

Prof. Dr. Heike Pahl promovierte an der Harvard Medical School, USA. Nach ihrer Habilitation an der Universität Freiburg wurde sie 1998 zur jüngsten Professorin Deutschlands ernannt und leitete bis 2012 die Sektion Experimentelle Anästhesie am Universitätsklinikum Freiburg. Seit 2012 ist sie Professorin für Molekulare Hämatologie und Leiterin der Sektion Molekulare Hämatologie der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg.

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