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Neurodermitis-Behandlung im Wandel

(24.07.2023) Moderne Medikamente transformieren die Neurodermitis-Behandlung

Jede*r Siebte erkrankt im Laufe des Lebens an Neurodermitis. Viele Betroffene leiden extrem unter der Hautkrankheit. Doch seit wenigen Jahren gibt es hochwirksame Medikamente. Wie sie wirken und warum eine molekular-genetische Diagnostik die Dermatologie grundlegend verändern könnte, erklärt Prof. Dr. Kilian Eyerich. Er ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Dermatologie und Venerologie.

Die Diagnostik sollte schnell, objektiv und flächendeckend verfügbar gemacht werden. ©lemono /iStock

Herr Professor Eyerich, was hat sich in der Behandlung von Neurodermitis in den letzten Jahren getan?

Professor Eyerich: Bis vor wenigen Jahren konnten wir selbst bei schwersten Verläufen nur Hautpflege verordnen und Cortison beziehungsweise ungerichtet wirkende Immunsuppressiva verabreichen, was das Immunsystem insgesamt dämpft. Aber nun sind wir über das Cortison-Zeitalter hinaus. Seit einigen Jahren gibt es sogenannte Systemtherapien für Erwachsene mit mittelschwerer und schwerer Neurodermitis. Diese Therapien unterbrechen gezielt bestimmte überschießende Entzündungsreaktionen, indem sie die Signalweiterleitung unterbrechen. Sogar schwerste Symptome klingen bei vielen Betroffenen ab.

Was bedeutet das für die Patient*innen?

Das ist kaum hoch genug einzuschätzen. Die Krankheit kann die Lebensqualität der Betroffenen massiv mindern. Denn Juckreiz und Schmerzen halten vom Schlaf ab und die sichtbaren Hautveränderungen werden vom sozialen Umfeld leider häufig als abstoßend wahrgenommen.

Trotzdem hält sich die Meinung, dass die Krankheit kaum zu behandeln ist. Woran liegt das?

Betroffene leben oft schon seit Jahrzehnten mit der Krankheit. Weil es bis vor Kurzem keine passgenaue Therapie gab, sind viele von ihnen nicht mehr in ärztlicher Betreuung. Sie wissen also oft nichts von den neuen Möglichkeiten. Dazu kommt, dass die Medikamente verhältnismäßig teuer sind und deshalb manche Ärzt*innen mit der Verschreibung sehr zurückhaltend sind. Und zum dritten wirken die Medikamente gegen Neurodermitis hochspezifisch. Das bedeutet, dass etwa eine Schuppenflechte, die ähnlich aussehen kann und bislang auch ähnlich behandelt wurde, unter den neuen Neurodermitis-Medikamenten sogar schlechter werden kann.

Hier kommt die molekular-genetische Diagnostik ins Spiel, an der Sie forschen. Kann sie so etwas wie ein Wendepunkt in der dermatologischen Diagnostik und Therapie sein?

Davon bin ich überzeugt. Bislang basiert die Einteilung von Hautkrankheiten hauptsächlich auf dem visuellen Erscheinungsbild. Man kann das mit der beschreibenden Botanik des 19. Jahrhunderts vergleichen. Dank Genetik weiß man aber heute, dass Pflanzen teils ganz andere Verwandtschaften haben als angenommen. Ähnlich war es lange in der Dermatologie. Aber wir verstehen die molekular-genetischen Ursachen hinter Hautkrankheiten immer besser. Damit eröffnen sich fundamental neue Therapieoptionen.

Die molekular-genetische Diagnostik kann einen fundamentalen Unterschied in der Dermatologie machen. Prof. Eyerich ist Experte der molekularen Diagnostik von Hautkrankheiten. ©Universitätsklinikum Freiburg

Sie haben bereits mehrere Patente zur molekularen Diagnostik von Hautkrankheiten eingerichtet. Was ist das Grundprinzip dahinter?

Wir haben in der betroffenen Haut bestimmte Gene identifiziert, anhand derer sich Neurodermitis und Schuppenflechte eindeutig unterscheiden lassen. Jetzt geht es darum, die Diagnostik schnell, objektiv und flächendeckend verfügbar zu machen. Ein Freiburger Start-up arbeitet daran derzeit mit Hochdruck. Wir hoffen, dass die ersten Arztpraxen das System noch im Laufe dieses Jahres testen können

Worin unterscheiden sich Neurodermitis und Schuppenflechte?

Neurodermitis und Schuppenflechte sehen äußerlich ähnlich aus, haben beide genetische Wurzeln und sind nicht übertragbar. Juckreiz tritt üblicherweise hauptsächlich bei Neurodermitis auf. Während Neurodermitis häufig bei Kindern vorkommt und sich oft von selbst bessert, tritt Schuppenflechte meist nach der Pubertät auf. Durch eine gute Hautpflege und Medikamente lassen sich beide Erkrankungen oft in den Griff bekommen – aber die Entzündungsreaktionen in der Haut sind verschieden und die modernen Medikamente wirken nur bei einer der Erkrankungen.

Patient*innenversorgung, Forschung, Produktentwicklung. Was treibt Sie in Ihrer Arbeit an?

Ich ziehe meine Motivation immer aus den Patient*innen. Als Mediziner*innen an einem Universitätsklinikum sind wir zudem in der Situation, die Dinge wirklich zum Positiven verändern zu können. Das ist ein großer Ansporn. Und gleichzeitig weiß ich, wie dringend die Methoden, Diagnostiken und Therapien benötigt werden. Dadurch erfahren wir große Unterstützung von allen Seiten. Denn alle wollen den Erfolg.

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