„Wir müssen Lehrer besser vor Burnout schützen“
Psychosomatik(16.05.2019) Immer mehr Lehrkräfte fallen wegen psychosomatischer Beschwerden wie Burn-Out aus. Das belastet die Betroffenen und das gesamte Schulsystem. Der Freiburger Experte für Arbeitspsychosomatik Prof. Dr. Claas Lahmann fordert darum schnellere und unbürokratische Unterstützung für Lehrkräfte.
Stress, Beleidigungen, Gewalterfahrung: Lehrkräfte erleben eine Reihe von Faktoren, die psychische Beschwerden wie einen Burnout begünstigen. Gleichzeitig steigt durch die überdurchschnittlich langen Ausfallzeiten der Betroffenen die Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen. „Wir müssen die psychische Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer dringend besser schützen, akut und präventiv“, fordert Prof. Dr. Claas Lahmann, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg.
Prof. Dr. Claas Lahmann plädiert für eine umfassende und unbürokratische Hilfe betroffener Lehrer © Universitätsklinikum Freiburg / Britt Schilling
„Besonders wichtig ist, dass die Betroffenen schnell und unbürokratisch Hilfe bekommen. Hier gibt es noch deutlichen Verbesserungsbedarf.“ Dass eine schnelle Intervention nach einem negativen Erlebnis die Belastung für die Betroffenen deutlich reduzieren kann, ist aus Studien bekannt. Wie eine solche Unterstützung aussehen kann, zeigen die „Lehrer-Coachinggruppen nach dem Freiburger Modell“, die an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie entwickelt wurden.
„Wir sehen in der Klinik immer mehr Lehrer, bei denen sich Stress und negative Erfahrungen auch körperlich äußern. Viele leiden unter depressiven Episoden, Ängsten, chronischen Kopfschmerzen oder weiteren funktionellen Körperbeschwerden wie Reizdarmsyndrom oder Schwindel“, sagt Lahmann. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Prävention und Behandlung berufsbedingter psychosomatischer Beschwerden und ist Mitherausgeber des Standardwerks „Psychische und Psychosomatische Gesundheit in der Arbeit“.
Gewaltandrohungen verdreifacht
Wie wichtig unterstützende Angebote sind, zeigt eine mehrjährige Erhebung des Universitätsklinikums Freiburg unter knapp 4.000 Lehrkräften, von denen 380 im letzten Schuljahr befragt wurden. Jeder vierte Befragte musste im vergangenen Jahr in der Schule schwere Beleidigungen ertragen. Sechs Prozent der Lehrkräfte wurde körperliche Gewalt angedroht, rund dreimal so viele wie noch im Jahr 2014. Auch die Zahl derer, die Opfer körperlicher Gewalt wurden, verdoppelte sich auf fast vier Prozent, wie Lahmann Mitte April bei einer Anhörung im Baden-Württembergischen Landtag berichtete.
Dass Lösungen dringend benötigt werden, zeigt auch eine forsa-Umfrage aus dem Jahr 2016, die der Verband Bildung und Erziehung bei Lehrern in Baden-Württemberg in Auftrag gegeben hatte. Nur zwei Drittel der Lehrer fühlten sich nach Gewalterfahrung ausreichend durch ihre Einrichtung unterstützt. „Anders als in der Wirtschaft sehen wir bei Behörden und Schulen oft noch eine größere Zurückhaltung, was die Unterstützung für eine moderne betriebliche Gesundheitsförderung speziell hinsichtlich psychischer Belastungen angeht. Hier ist aber schnelle und unbürokratische Hilfe angebracht“, sagt Lahmann.
In Lehrer-Coachinggruppen erhalten Lehrerinnen und Lehrer wichtige psychologische Methoden kennen, um gar nicht erst in kritische Situationen zu geraten. © BillionPhoto.com / fotolia
Lehrer-Coachinggruppen – ein Erfolgsprogramm
Damit es nicht so weit kommt, wurden am Universitätsklinikum Freiburg die „Lehrer-Coachinggruppen nach dem Freiburger Modell“ entworfen und seit vielen Jahren stetig weiterentwickelt. Chronische Konflikte mit Schülern sind einer der Hauptbelastungsfaktoren für Lehrkräfte. Die Coachinggruppen setzen hier präventiv an und verbessern die Beziehungskompetenz der Lehrkräfte im Umgang mit Schülern, aber auch mit Eltern, Kollegen und Vorgesetzten. „Entscheidend ist zunächst, dass Konflikte wahrgenommen und auch angesprochen werden können“, sagt Lahmann. Im nächsten Schritt lernen die Teilnehmer Strategien, um Konflikte zu vermeiden oder aufzulösen. Das Projekt wird vom Kultusministerium Baden-Württemberg gefördert und stellt laut Lahmann einen wichtigen und erfolgreichen Schritt in die richtige Richtung dar.
Weichen schon im Studium richtig stellen
„Die angehenden Lehrerinnen und Lehrer müssen auch den Umgang mit negativen Emotionen und Erfahrungen lernen“, fordert Lahmann. Deshalb sei es notwendig, bereits im Studium Lehrinhalte zu verankern, die den künftigen Lehrkräften einen sicheren Umgang mit stressigen Situationen ermöglichen.
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