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Zu viel Sport bei Essstörungen

Psychosomatik

(02.02.2018)  Treiben Patienten mit Essstörungen übermäßig Sport, ist dies Teil der Erkrankung. Am Universitätsklinikum Freiburg lernen Patienten, wie sie ihren Körper bewusster wahrnehmen und wieder Freude an Bewegung empfinden können.

Mia T. rennt. Meistens eine Stunde pro Tag, manchmal auch zwei. Wäre sie körperlich völlig gesund, würde sie fast als Hochleistungssportlerin durchgehen. Doch Mia T. ist krank. Sie leidet unter Magersucht und kann trotz starken Untergewichts nicht aufhören, täglich laufen zu gehen. Sie verausgabt sich manchmal so sehr, dass sie auch schon mal vor Schwäche zusammengebrochen ist.

Fast jeder zweite Patient mit einer Essstörung treibt in einer problematischen Art und Weise Sport. Egal ob Laufen, Radfahren oder Schwimmen: Patienten, die an Magersucht oder Bulimie leiden, setzen Sport ein, um gezielt ihr Gewicht oder die Figur zu beeinflussen. „Sie haben einen strengen Plan im Kopf und werden sehr unruhig, wenn sie zum Beispiel nicht die Möglichkeit haben, vor dem Frühstück eine Stunde laufen zu gehen“, sagt Professor Dr. Almut Zeeck, Leitende Oberärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg.

Menschen mit Essstörungen haben ein verzerrtes Bild von sich selbst. Sie nehmen sich im Spiegel ganz anders wahr als es der Realität entspricht.

Von problematischer sportlicher Aktivität sprechen Ärzte nicht nur dann, wenn diese exzessiv ist, sondern auch, wenn Patienten sich schuldig fühlen, wenn sie keinen Sport treiben können. Auch wenn das Sporttreiben wie ein innerer Zwang ist oder wenn Patienten trotz Verletzung und Krankheit nicht mit dem Sport auf hören können, ist dies problematisch. Auch die Motive spielen eine Rolle: Mia T. hat keine Freude an der Bewegung mehr, sondern versucht durch den täglichen Sport die vermeintlich vielen Kalorien zu verbrauchen, die sie zu sich genommen hat.

Die Folgen von exzessivem Sport bei Patientinnen mit Magersucht oder Bulimia nervosa betreffen den Körper, aber auch andere Bereiche. Von körperlicher Seite her haben sie ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche. „Das passiert bei Menschen mit Essstörungen schneller als bei Gesunden, da sie häufig eine verminderte Knochendichte haben“, erklärt Professor Zeeck. Da der Sport sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, vernachlässigen die Betroffenen zudem soziale Kontakte oder es treten bei der Arbeit Probleme auf. Das Sporttreiben komplett zu verbieten, macht nach Einschätzung von Professor Zeeck wenig Sinn, denn dann trainieren viele meistens heimlich weiter. „Wichtig ist es, in der Therapie von Patienten mit Essstörungen das Thema Sport offen anzusprechen“, sagt die Oberärztin.

„Gemeinsam mit anderen wieder Spaß am Sport und an der Bewegung zu entwickeln, ist ein weiteres wichtiges Ziel des ambulanten Sportprogramms.“

Prof. Dr. Almut Zeeck, Leitende Oberärztin, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg

Am Universitätsklinikum Freiburg läuft derzeit eine Studie mit dem Namen „Ambulantes Freiburger Sporttherapie-Programm für Patienten mit Essstörungen“. Über drei Monate nehmen sie einmal pro Woche an 13 Einheiten von jeweils zwei Stunden teil. „Ziel ist es zunächst, dass die Patientinnen das Wahrnehmen des eigenen Körpers und eigener Grenzen durch unterschiedliche Übungen wieder schulen“, sagt Professor Zeeck.

Später lernen sie verschiedene Sportarten und Bewegungsformen, zum Beispiel Volleyball oder Tanzen, kennen, die eine Alternative zu der problematischen sportlichen Aktivität sind, die sie vorher betrieben haben. Zusätzlich wird untersucht, welche Zusammenhänge sich zwischen Sporttreiben, Essverhalten, dem Körpererleben und der Stimmung der Patienten finden lassen. Patienten können bei den angeleiteten Bewegungsangeboten positive Erfahrungen sammeln. „Gemeinsam mit anderen wieder Spaß am Sport und an der Bewegung zu entwickeln, ist ein weiteres wichtiges Ziel des ambulanten Sportprogramms“, betont Professor Zeeck.

Mia T. hat mit einer Psychotherapeutin an ihrer Essstörung gearbeitet und parallel an der Sportprogramm-Studie teilgenommen. Sie treibt nur noch selten alleine Sport und trainiert mittlerweile gern in einer Gruppe, in der vor allem der Spaß am Bewegen im Vordergrund steht. Dort fühlt sie sich auch von den anderen Teilnehmern akzeptiert und hat gelernt, dass sie sich beim Sport auch wohlfühlen darf. Eine wichtige Erkenntnis, die ihr helfen wird, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Kontakt für Studien-Interessierte:
Dr. Sabine Schlegel
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Telefon: 0761 270-68808
sabine.schlegel@uniklinik-freiburg.de

Universitätsklinikum Freiburg

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