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Lebensgefährliche Durchfälle durch extrem seltene Ursache

Immunologie

(23.04.2018) Über 40 Jahre lang litt die Patientin an Durchfällen und schweren Infekten, es folgten Nierenversagen und ein Magenkarzinom. Am Centrum für Chronische Immundefizienz des Universitätsklinikums Freiburg fanden die Ärzte die sehr seltene Ursache und konnten der Patientin helfen. 

Wenn das Immunsystem defekt ist, geht es um mehr als eine Erkältung. „Angeborene Immundefekte sind oft lebensbedrohlich und zudem extrem selten“, sagt Professor Dr. Bodo Grimbacher, Wissenschaftlicher Direktor des Centrums für Chronische Immundefizienz am Universitätsklinikum Freiburg. Deshalb suchen Menschen mit Immundefekten häufig jahrelang erfolglos in Arztpraxen und Kliniken nach der richtigen Diagnose.

Menschen mit Immundefekten suchen häufig jahrelang nach der richtigen Diagnose. Helfen können in diesen Fällen spezialisierte Zentren. ©fotomek/fotolia

So wie Cordula M. aus Herford. Mehr als 40 Jahre lang konnte sich kein Arzt erklären, was genau bei ihr nicht stimmt. Sie litt immer wieder an schweren Durchfällen und langwierigen Infekten. Schließlich wog die 1,73 Meter große Frau nur noch 45 Kilogramm und musste über Infusionen ernährt werden.

Als Nierenversagen und ein Magenkarzinom hinzukamen, war sie mit ihren Kräften beinahe am Ende. Ein Internist vermutete einen Immundefekt und überwies sie 2012 ans Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) des Universitätsklinikums Freiburg.

Professor Grimbacher machte sich an die detektivische Arbeit und setzte das Puzzle aus ihrem Krankheitsbild und ihrer Familiengeschichte sowie seinem Wissen und seiner Erfahrung als Forscher und Arzt zusammen. „Was macht Durchfall, das man nicht nachweisen kann?“, fragte er sich, denn bei mehreren Darmspiegelungen wurde nie eine Entzündung gefunden.

Drei ungewöhnliche Todesfälle in der Familie

Drei Todesfälle in der Familie von Cordula M. machten ihn stutzig: Vater, Bruder und Nichte waren früh mit 66, 24 und 15 Jahren gestorben. Professor Grimbacher war sich sicher, dass es sich tatsächlich um einen familiären Immundefekt handeln musste. Doch um welchen genau?

2013 entdeckte Professor Grimbachers Forschergruppe am CCI einen neuen Gendefekt: Es zeigte sich, dass der Defekt im Gen CTLA4 für mehrere Fälle von schweren Fehlsteuerungen des Immunsystems verantwortlich ist. Er passte zum Krankheitsbild von Cordula M.

Ein Gentest bestätigte den Verdacht. „Nach mehr als 40 Jahren Odyssee hatte ich endlich eine Diagnose“, sagt Cordula M. Unter der Anleitung von Professor Grimbacher wurden die bisherigen Medikamente abgesetzt. Stattdessen sollte ein Medikament das ursprünglich für die Rheumatherapie entwickelt wurde, das defekte CTLA4 Molekül ersetzen. Der Patientin ging es zu diesem Zeitpunkt sehr schlecht und die Wirkung des Medikaments setzt nicht unmittelbar ein. Würde das neue Medikament wirken?

Nach zwölf Wochen zeigte sich die Wirkung der Therapie

Zwölf lange Wochen vergingen, bis die Antwort auf die quälende Frage feststand: Ja. Endlich kam der Umschwung und Cordula M.s Gesundheitszustand besserte sich stetig. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie ihre Krankheit im Griff.

„Ohne die genetische Diagnose wäre so eine maßgeschneiderte Therapie nicht möglich gewesen“, sagt Professor Grimbacher. Doch Cordula M. musste weiter kämpfen, denn das Magenkarzinom kam zweimal wieder, so dass sie 2016 ihren Magen entfernen lassen musste. Aber auch davon hat sie sich erholt und seit letztem Jahr geht es ihr wieder gut.

600 Kilometer Anfahrt zur Kontrolle

Einmal im Jahr fährt sie zur Kontrolle die 600 Kilometer von Herford nach Freiburg ans CCI. „Und ansonsten ist Professor Grimbacher mein Telefonjoker. Ich kann ihn immer auf dem Handy erreichen, das hat mir schon oft sehr geholfen“, sagt sie.

Die Detektivarbeit der Forscher am CCI hat auch Licht ins Dunkle von Cordula M.s Familiengeschichte gebracht. Heute gibt es eine plausible Erklärung für die drei frühen Todesfälle in ihrer Familie, auch wenn dies im Nachhinein nicht mehr überprüft werden kann.

Doch auch bei Cordula M.s zweitem Bruder und ihrer Schwester wurde der CTLA4 Gendefekt gefunden. Sie haben ihre eigenen Krankheitsgeschichten. So schwebte der zweite Bruder mit 50 Jahren in Lebensgefahr, konnte aber von Prof. Dr. Jürgen Finke, Leitender Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg, mit einer Stammzelltransplantation gerettet werden. Heute ist er von dem Gendefekt geheilt.

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