Herzzellen mit Nano-Lichtschaltern steuern
Experimentelle Kardiologie(18.05.2018) Mit Lichtpulsen und leuchtenden Zellen erforschen Freiburger Wissenschaftler, wie sich Narben auf die Biophysik von Herzgewebe auswirken. Das ist sowohl für die Therapie nach einem Herzinfarkt wie auch bei Vorhofflimmern wichtig.
Es klingt wie Science-Fiction: Forscher des Universitäts-Herzzentrums Freiburg · Bad Krozingen (UHZ) lassen Herzzellen leuchten oder schalten sie durch Licht ein und aus. Das Verfahren, das so etwas erlaubt, wird als Optogenetik bezeichnet. Wissenschaftler um Dr. Franziska Schneider-Warme vom Institut für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin (IEKM) des UHZ erforschen damit Narben im Herzgewebe. Diese können die ungewollte Folge eines Herzinfarkts sein oder bewusst zur Therapie des Vorhofflimmerns erzeugt werden. Schon heute liefert das Verfahren wichtige Einblicke in die Krankheiten.
Durch optogenetische Verfahren lernen die Wissenschaftler viel über das Herz. Unter anderem, was bei der Narbenbildung passiert. ©Siarhei / fotolia
Wie werden Zellen lichtempfindlich gemacht?
„In der Natur gibt es eine Reihe von Molekülen, die sich durch Licht verändern“, sagt Dr. Schneider-Warme. Dazu gehören Lichtrezeptoren aus dem menschlichen Auge, aber auch Proteine aus einfacheren Organismen wie Quallen und Bakterien. Mit genetischen Methoden schleusen die Forscher die Erbinformation für diese Proteine in die Herzzellen ein.
Es werden zwei Klassen von Proteinen verwendet: Solche, die durch Belichtung aktiviert werden. Das kann zum Beispiel ein Ionen-Kanalprotein sein, das sich bei Belichtung öffnet und so kleine Kalziummoleküle in die Zelle fließen lässt. Dadurch kontrahieren die Herzmuskelzellen: das Herz schlägt im Rhythmus der Beleuchtung.
Andere Moleküle leuchten, wenn viel oder wenig Kalzium vorhanden ist. „So können wir beispielsweise sehr präzise verfolgen, was bei einer Zelle durch einen elektrischen Reiz passiert“, sagt Dr. Schneider-Warme.
Gute und schlechte Narbenbildung im Visier der Optogenetik
Die Forscher des IEKM nutzen die Methode, um grundlegend zu verstehen, was bei der Entstehung einer Narbe im Herzen passiert. Bekannt ist, dass dabei Muskelgewebe durch Bindegewebe ersetzt wird. Eine Narbe kann als Folge eines Herzinfarkts entstehen. Dann kann das Herz nicht mehr so kräftig pumpen und der Patient ist weniger belastbar.
Anders beim Vorhofflimmern: Hier setzen Ärzte gezielt eine Narbe, um eine übermäßige elektrische Stimulation zu unterbrechen. Allerdings verschwindet der Effekt einer sogenannten Vorhof-Ablation oft wieder.
„Vielleicht finden wir so eines Tages Wege, um die Schäden nach einem Herzinfarkt zu begrenzen. Außerdem ließe sich mit diesem Wissen vielleicht die Ablationstherapie verbessern“, sagt Dr. Schneider-Warme.
Leuchtendes Bindegewebe zeigt elektrische Kopplung
Einen ersten wichtigen Schritt machten die Forscher kürzlich. Sie zeigten, dass Muskel- und Bindegewebszellen im Herzen elektrisch verbunden sind. Dafür schleusten sie in die beiden Zelltypen Moleküle ein, die bei Spannungsänderungen aufleuchten. Diese Licht-Signale konnten die Forscher auch im Bindegewebe des Herzens nachweisen.
„Da Bindegewebe, anders als Muskelzellen, die elektrischen Signale nicht selbst erzeugen kann, bleibt nur eine Erklärung: es wird von Muskelzellen unter Strom gesetzt“, sagt Studienleiter Prof. Peter Kohl, Direktor des IEKM.
Dies geschieht vermutlich durch wenige Nanometer breite und mehrere hundert Nanometer lange zelluläre Tunnel, die Bindegewebs- und Muskelzellen miteinander verbinden. Die Struktur und Dynamik der Verbindungstunnel wird am IEKM in der Gruppe von Dr. Eva Rog-Zielinska mittels hochauflösender Licht- und Elektronenmikroskopie genauer untersucht. Zur Illustration: ein Nanometer ist die verschwindend kurze Strecke, um die ein Fingernagel in einer Sekunde wächst.
Die elektrische Kopplung von Bindegewebs- und Muskelzellen könnte mitverantwortlich dafür sein, dass eine Narbe nach einer Ablation die Reizleitung oft nicht so effektiv unterbricht, wie gewünscht. Noch ist es nicht so weit, aber eines Tages könnten durch dieses Wissen die Therapien bei Herzinfarkt und Vorhofflimmern verbessert werden.
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