Enttarnte Tumorzellen
Immunonkologie(02.10.2018) Mithilfe des Immunsystems Krebs bekämpfen: Für ihre Entdeckungen im Bereich der Krebstherapie erhielten zwei Immunologen den Medizin-Nobelpreis. Auch am Universitätsklinikum Freiburg wird erforscht, wie sich die Tarnmechanismen von Tumoren aushebeln und neue Immuntherapien entwickeln lassen
Das körpereigene Abwehrsystem des Menschen hat die Aufgabe, ihn vor Krankheiten zu schützen. Auch vor Krebs. Normalerweise ist das Immunsystem sehr leistungsfähig, es entdeckt abnorme Zellen und zerstört sie. Das gelingt unter anderem, weil Tumorzellen auf ihrer Oberfläche bestimmte Moleküle tragen, sogenannte Antigene – diese werden vom Immunsystem als körperfremd erkannt, es greift die Zellen an. Doch Krebs ist clever: Einige Tumorarten bilden keine solchen Antigene aus und tauchen so nicht auf dem Radar des Immunsystems auf. Außerdem können Tumorzellen bestimmte Substanzen freisetzen, die verhindern, dass das menschliche Immunsystem reagiert.
Die Immunonkologie greift den Tumor nicht direkt an, sondern geht den Umweg über das körpereigene Immunsystem © Britt Schilling / Universitätsklinikum Freiburg
Hier setzt die Immunonkologie an. Sie greift nicht wie eine Bestrahlung oder Chemotherapie den Tumor direkt an, sondern geht einen Umweg: den über das körpereigene Immunsystem. Immunonkologische Wirkstoffe zielen darauf ab, die Tarnmechanismen der Tumore zu stören und sie so für das Immunsystem erkennbar zu machen. Das kann dann seiner ureigenen Arbeit nachgehen und den Krebs bekämpfen.
Neue Medikamente gegen Hautkrebs
Die Immunonkologie ist ein bahnbrechender neuer Ansatz, zu dem intensiv geforscht wird. Die ersten Medikamente sind bereits auf dem Markt. In der Dermatologie zum Beispiel sind immunonkologische Wirkstoffe in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Therapiebestandteil geworden. „Wenn man bei einer Tumorbekämpfung gut dreißig Jahre lang kaum Entwicklung und nur eine überschaubare Therapieauswahl hat, und dann stehen innerhalb kurzer Zeit vier, fünf neue Medikamente zur Verfügung – das ist schon ein gewaltiger Fortschritt“, sagt Dr. Frank Meiß, kommissarischer Leitender Oberarzt an der Klinik für Dermatologie und Venerologie des Universitätsklinikums Freiburg. Die Hautärzte können zur Behandlung eines fortgeschrittenen Melanoms jetzt auf sogenannte PD-1-Inhibitoren zurückgreifen. Auf den T-Zellen, die im Immunsystem dafür zuständig sind, Tumorzellen anzugreifen, befinden sich Rezeptoren. Werden diese aktiviert, attackiert die T-Zelle die Krebszellen nicht. Genau das macht der Tumor: Er aktiviert diese Rezeptoren und verhindert so, dass das Immunsystem auf den Eindringling reagiert. Die neuen PD-1-Inhibitoren greifen in diese Kommunikation zwischen T-Zelle und Tumorzelle ein, dadurch können die T-Zellen sich wieder um die Tumorzellen kümmern und sie zerstören.
Mehr Lebensqualität dank immunonkologischer Therapien
Die immunonkologischen Wirkstoffe haben als Einzelsubstanz eine Ansprechrate von 30 bis 40 Prozent und werden sehr gut vertragen. Durch die Kombination verschiedener immunonkologischer Wirkstoffe kann die Ansprechrate sogar bis 60 Prozent erreichen. Bei dieser Kombinationstherapie steigt dann jedoch auch die Nebenwirkungsrate und die Patienten müssen von erfahrenen Behandlungsteams betreut werden.
„Vor fünf Jahren lag die durchschnittliche Überlebenszeit bei einem fortgeschrittenen bösartigen Melanom mit Metastasen noch bei neun bis zwölf Monaten – diese Zahl hat sich dank der neuen Medikamente inzwischen mehr als verdoppelt. Auch die Lebensqualität der Patienten kann durch die Immunonkologie erhöht werden“, sagt Meiß. Wie genau die Therapie aussieht, beraten die behandelnden Ärzte der verschiedenen Disziplinen individuell für jeden Patienten in sogenannten Tumorboards. Auch bei zahlreichen anderen Krebsarten wie zum Beispiel dem nicht kleinzelligen Lungenkarzinom und urologischen Tumoren werden PD-1-Inhibitoren mittlerweile erfolgreich eingesetzt.
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