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Sam Szembek

2014: Sam Szembek, >Linie zur Fläche, zum Raum<, Zeichnungen

Abstrakte Kunst möchte man, um sie zu „lesen“, in die Gegenstandswelt transformieren. Ein ungegenständliches Gebilde gestaltet sich in eine mir vetraute Figur. Dafür ein Beispiel: Wenn ein weißes Blatt im DIN-A4-Querformat mit einer schwarzen Linie mittig geteilt wird, dann mag man ein aufgeschlagenes Buch assoziieren. Sollte aber diese senkrechte Linie nicht in der Mitte, sondern etwas abseits davon oder im Blattdrittel verlaufen, dann könnte eine Assoziation blockiert werden. Ratlosigkeit seitens des Betrachters stellt sich ein. Das hat einen einfachen Grund: Ich sehe nichts anderes als ein weißes Blatt und eine Linie – irgendwo.

Ja, wo eigentlich? Auf der Fläche? In einem Raum? Der Betrachter ist zurückgeworfen auf das, was er tatsächlich erblickt, eine weiße Fläche mit einem schwarzen Strich. Wenn diese Fläche überdies gerahmt ist mit einem nicht unbedingt geradem Rahmen, bemerkt er auch, dass der Strich natürlich nicht mit dem Lineal gezogen ist. Die weißen Flächen gewinnen an Ausdruck, und das Ganze erscheint mir unvermittelt als ein gestaltetes Gebilde.

In diesem Augenblick hat man bereits das Ästhetische in die Zeichnung hineingetragen, ohne diese bewertet zu haben. Das Blatt Papier gewinnt ohne Assoziationsbemühungen an Realität, an künstlerischer Realität parallel zu unserer vertrauten Gegenstandswelt, die sich nicht auf dieses Bild beziehen lässt.

Kohle auf Papier, 76x100 cm, 2009

Senkrechte und waagerechte Linien werden mit Schrägen ergänzt, so dass sich Räumlichkeit einstellt – ganz langsam, quasi im Zeitlupentempo. Man wird gewissermaßen zum Zeugen der Transformation von der zweiten in die dritte Dimension. Bezieht man die Dauer dieser Verwandlung mit ein, dann befindet man sich „im Bild“, in der vierten Dimension, in der für unsere Wirklichkeit verbindlichen Raumzeit.

Die Galeristin Linda Treiber und Sam Szembek  

Gezeigt werden Arbeiten, die zwischen 2009 und 2013 entstanden sind.

Die Besucher überrascht ein großformatiges Bild, das in der Flucht des ersten Flurs hängt. Während man langsam auf es zugeht und die Bilder an der linken Wand passiert, die wie Schemen an einem vorübergleiten, glaubt man in den beiden überdimensionierten Haken Räumlichkeit zu entdecken. Unwillkürlich ergänzt man die Fluchtlinien und wähnt sich bald inmitten der artistischen Verlängerung des Flurs.

Im rechtwinklig abgehenden Flur bietet sich ein ähnliches Schauspiel dar. Durch die Spiegelung wird der Raumeffekt noch gesteigert. Die Bildfläche, durch senkrechte Pfeiler und eine waagerechte Gerade gegliedert, changiert mit einem zweiten Bild, dem im Glas erscheinenden Raum.

Das Schattenspiel sorgt für einen malerischen Effekt und macht zugleich aufmerksam auf die linearen Strukturen. Die bewegte Welt wird in eine Form gebracht, gegliedert und geordnet. Vielleicht war das auch einer der Ausgangspunkte für Szembek, eine zuweilen hektische und aus den Fugen geratene Welt zu beruhigen und in gesicherte Bahnen zu lenken.

Jan Minners hielt die Einführungsrede und machte mit einfühlsamen Worten auf die verschiedenen Aspekte der Zeichenkunst Szembeks aufmerksam.

Vita

  • 1953 in Memmingen/Iller geboren.
  • 1974-1976 Studium an der Universität Stuttgart, Kunstgeschichte, Philosophie.
  • 1975-1981 Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Malerei.
  • seit 2006 in der Galerie Linda Treiber