Werner Pokorny
31. Januar bis 11. März 2011: Zeichnung und Kleinplastik„Zum Raum wird hier die Zeit“ – dieses Wagner-Wort aus dem „Parsifal“ kling vielleicht zu pathetisch, doch angesichts solcher und ähnlicher Pokorny-Perspektiven glaubt man zu spüren, wie die Zeit gerinnt.
Es bleibt der Raum – zeitlos und melancholisch. Die verlässlich angeschrägte Figur neigt sich in ihrem Spiegelbild und aus dem Bildrahmen heraus, dem sie zu entstammen scheint.
Man sollte die Bilderwände mehrmals abschreiten und sich in die Figurationen einlesen. Dann lösen sich die Wände in ein filigranes und entschieden vertikales Muster auf. Der Zauber mag gelingen: Die Wände gewinnen an Raum.
Der Reiz der Betrachtung einer Pokorny-Zeichnung besteht darin, diese in eine Kleinskulptur zu verwandeln. Das mag schnell gelingen, da die artistischen Vorgaben eindeutig sind. Geübt im Wandlungs-Zeremoniell, mögen die Betrachtenden vor den Vitrinen im Erdgeschoss schließlich eine knifflige Aufgabe lösen, nämlich die Skulpturen in die zweite Dimension zurückzuführen, sie als Zeichnung zu sehen.
Pokorny arbeitet in erster Linie als Bildhauer. Mit zahlreichen Großskulpturen hat er den urbanen Raum und Parks ausgestattet. Die Kleinskulpturen vermitteln eine lebendige Vorstellung von der Monumentalität seiner Arbeiten.
wheels I-III, 2009
Vita
- 1949 in Mosbach geboren.
- arbeitet und lehrt als Professor für allgemeine künstlerische Ausbildung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Schwerpunkt: Bildhauerei.
Die Zeit gerinnt – es bleibt der Raum
Zu Beginn des Jahres 2011 stellte Werner Pokorny im Universitäts-Herzzentrum Zeichnungen und Kleinplastiken aus. In der Mitte eines verhältnismäßig kurzen Flurabschnitts, der auf ein helles Fenster führt, steht eine stumme Stele, flankiert von Bildträgern, deren Inhalte auf Grund der steilen Perspektive nicht zu erkennen sind. Stimmt nicht ganz. Rechter Hand offenbart eine Spiegelung den Doppelgänger der Stele. Der scheint sich vorzubeugen, so als ob er sich seinem Gegenüber zu erkennen geben wollte. Das Szenarium hat sich verändert und der Ausstellungsmodus ist abgeschaltet. Die Zeit gerinnt – es bleibt der Raum!
Ob Spiegelung oder nicht, das spielt keine entscheidende Rolle. Doch es dämmert die Frage auf: Ist das der Pokorny? Eine interessante Gegenüberstellung könnte erste Antworten liefern. In einem Besprechungszimmer des Verwaltungstrakts präsentiert sich auf einem niedrigen Schrank eine Holzskulptur mit dem Titel „Pfeiler aufrecht“ (1994). Jahre später wurde das Herzzentrum um einen neuen Trakt bereichert, das Roskamm-Haus. Die Kuratorin verteilte und arrangierte die umfangreiche Kunstsammlung, die teilweise im Archiv verborgen war. Die Holzskulptur erhielt einen neuen Platz, endlich den Platz, an dem sie atmen und sich entfalten konnte. Sie nahm sofort den Dialog mit Rolf-Gunter Diensts „Scaramouche“ von 2000 auf und wechselte eifrig Gedanken mit einer nahen Verwandten, der Pokornischen Tuschezeichnung von 2010, die eher schüchtern hinter der "Dienst-Wand" neben einer Durchgangstür hängt, von den „aufrechten Pfeilern“ aber gesehen werden kann.
Pokorny braucht Raum, und der Raum ist zu bestimmten Zeiten auf Pokorny angewiesen. Letzteres fand im vergangenen Jahr 2012 im Skulpturenpark von Möhrfelden/Hessen statt. Der Künstler wurde eingeladen, seine Skulpturen zu platzieren. Sein Hausturm, von der Ferne betrachtet, zieht den Raum zusammen. Zunächst erscheinen die aus Corten Stahl gefertigten und übereinander gestellten Haus-Icons ein Teil der Stadt- Silhouette zu sein. Doch wenn man mit bedächtigen Schritten auf sie zuschreitet, kommt das Gebilde einem entgegen, fast fordernd die Nähe des Betrachters suchend. Und ähnlich verhält es sich auch mit den anderen Raum-Objekten, einen Objekt-Raum bildend. Also auch hier: Der Ausstellungsmodus ist abgeschaltet.
Viele Besucher waren begeistert. Sie freundeten sich rasch mit den Skulpturen an - und damit wohl auch mit dem Park, der nun eine neue Rolle in ihrem Lebensraum eingenommen hat.
Pokornys Objekträume muss man sich selbst herstellen. Es reicht nicht, die Skulpturen als einzelne Objekte zu begreifen, um deren Form, Konstruktion oder Komposition zu goutieren. Da bleibt man außen vor und geht zur Tagesordnung über – anderntags sind sie vergessen. Stattdessen kann man erleben, wie ein wohl bekannter Raum, ein Park oder ein städtisches Ambiente sich verändert und sich in eine kurzfristige Zeitlosigkeit verwandelt. Man verspürt, eine Art Zuwachs an Realität erfahren zu haben. Pokornys Skulpturen schärfen unsere Sinne für die Wahrnehmung der Wirklichkeit, indem sie uns Bereiche öffnen, in die wir niemals zuvor geschaut haben.
Inwendig voller Großskulpturen im Park oder im städtischen Ambiente, erscheinen die Kleinskulpturen unvermittelt monumental.
Zurück ins Universitäts-Herzzentrum! Die Holzskulptur „Pfeiler aufrecht“ von 1994 schätzen wir als handliches Objekt ein. Eine gewisse Miniaturisierung wäre sogar denkbar, etwa im Stil seiner Kleinskulpturen. Angenommen, wir wählen DIN A4 – Abbildungen von einer Kleinskulptur, den „aufrechten Pfeilern“ und dem „Hausturm“ (ohne Hintergrund) aus und legen sie nebeneinander, könnte man dann über deren Größenverhältnisse entscheiden? Zugegeben, die Oberflächenstruktur der Kleinskulpturen mag möglicherweise ein Indiz für deren Maße sein, aber wir würden uns schwer tun, die Größe der anderen Objekte zu bestimmen. Der Grund liegt auf der Hand, oder besser im Auge. Die Rhetorik Pokornys ist perfekt, da die Formationen lesbar und in ihrer Lesbarkeit eindeutig sind. Die Komposition ist stimmig, egal, von welcher Seite ich das Objekt betrachte. Die Miniatur kann als monumentales Objekt ihre Wirkung und Atmosphäre entfalten und umgekehrt. Als Beispiel wären die „9 Pfeiler aufrecht“ auf dem Gelände des ZKM in Karlsruhe von 1994 zu nennen. Wir erkennen darin die Holzskulptur „Pfeiler aufrecht“ aus dem Universitäts-Herzzentrum wieder – nur eben in einer Dimensionierung von 420x300x150 cm.
Einer Maxime zufolge ist das Einfache immer das Richtige. Das ist einfach gesagt, ist es auch richtig? Überprüfen wir diese Behauptung an der Motivik der Skulpturen. Zwei Gruppen lassen sich unterscheiden, die gegenstandsbezogenen und die figuralen Motive. Zur ersten Gruppe gehören Haus, Tor, Gefäß oder Rahmen. Die zweite Gruppe könnte mit Linien, Schwüngen und Kurvaturen angegeben werden. Die unterschiedlichen Motivarten werden häufig untereinander und miteinander kombiniert, wie etwa der „Hausturm“ oder „Spirale und Haus“ von 1986. Andererseits formieren sich figurale Elemente zu Gegenständen, wie die „wheels I-III“ von 2009 demonstrieren, oder gegenständliche Motive gleiten über in figurale Elemente, wie das „Haus mit durchbrochener Form III“ von 1992. Die Motivstruktur ist klar gegliedert, weil sie einfach ist. Symptomatisch für die Richtigkeit des Einfachen sind die Zeichnungen, deren Motive ähnlich sind. Auf Grund der eindeutigen artistischen Vorgaben kann jede Zeichnung als Skulptur „gelesen“ werden. Die Motivstruktur ist einfach und damit richtig, was die Ergebnisse beweisen.
Wenn weiter oben von einer spezifischen „Pokorny-Rhetorik“ die Rede war, sollte man deren Bausteine näher bestimmen. Es geht dem Künstler um die Mittel und Techniken der Herstellung und Präsentation seiner Skulpturen. Das Ziel sieht er wohl nicht ausschließlich in der gelungenen Gestaltung des Objektes. Die ist für ihn selbstverständlich. Die Skulptur wurde für einen Raum geschaffen, so dass die Konzeption und die Arbeitsgänge immer begleitet sind vom räumlichen Kontext seiner Arbeit. Im Park, auf einem belebten städtischen Platz, im Museum oder im privaten Ambiente bringt er seine Werke zum Leben. Damit gelingt ihm etwas Einzigartiges: Identitätsstiftung durch Kunst.
Ehrenfried Kluckert
Verleihung des Hans-Thoma-Preises am 11. August 2013 in Bernau
Zu Ehren des Malers, Akademie- und Galeriedirektors Hans Thoma (1839 - 1924) hat man im Jahr 1949 den Hans-Thoma-Preis ins Leben gerufen. Die im Zwei-Jahre-Rhythmus verliehene Auszeichnung hat bereits viele namhafte Künstler geehrt, wie u. a. Emil Wachter, Otto Dix oder Anselm Kiefer.
In diesem Jahr wird die Ehre Werner Pokorny zuteil.
Zu diesem Schluss kam die vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg einberufene Jury unter dem Vorsitz von Staatssekretär Jürgen Walter. Sie setzte sich folgendermaßen zusammen: Petra von Olschowski (Akademie der Bildenden Künste Stuttgart), Dr. Nicole Fritz (Kunstmuseum Ravensburg), Johan Holten (Staatliche Kunsthalle Baden-Baden), Dr. Holger Jacob-Friesen (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe) und Dr. Tilmann von Stockhausen (Augustinermuseum Freiburg). Rolf Schmidt, Bürgermeister der Gemeinde Bernau im Schwarzwald, hat mit beratender Stimme teilgenommen
Die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer überreicht dem Künstler den Preis. Zuvor hat sie das Werk Pokornys gewürdigt, unter anderem mit den Aussagen der Jury:Der Bildhauer habe eine eigene Formensprache entwickelt, in der die Bedeutung des elementaren Zeichens durch Reduktion und Klärung im Mittelpunkt steht. Seine frühen Holzskulpturen thematisierten das Verhältnis zwischen Kunst und Natur mit Bezügen zu Bäumen, Wurzeln und Ästen. Diese blieben als Teil des Arbeitsprozesses deutlich sichtbar. Seine Arbeiten in Stahl, kreisen um archetypische Modelle wie Haus, Gefäß, Schale, Vase oder Kugel. Nach Worten des Danks Pokornys, hielt die Rektorin Petra von Olschowski von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, wo Pokorny als Professor tätig war, die Laudatio.