Zu den Inhalten springen

Unterstützung für die Bauchspeicheldrüse

Endokrinologie

(27.12.2016) Mehr als 300.000 Menschen in Deutschland haben Diabetes Typ 1. Davon sind mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren. Neue medizintechnische Entwicklungen können die Betroffenen im Alltag unterstützen und das regelmäßige Messen des Blutzuckers und Insulinspritzen teilweise ersetzen. Professor Dr. Jochen Seufert, Leiter der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie in der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg, erläutert Funktion und Vorteile der Systeme.

Diabetes Typ 1 ist nicht heilbar und tritt häufig im Kindes- und Jugendalter auf, kann sich aber auch im Erwachsenenalter zeigen. Ursache für die Erkrankung ist, dass die Bauchspeicheldrüse von Diabetikern zu wenig von dem Hormon Insulin produziert. Insulin senkt den Blutzuckerspiegel, wenn dieser beispielsweise nach einer Mahlzeit ansteigt.

Blutzucker-Selbstmessung und Insulinbehandlung mit Injektionen

„Zur optimalen Umsetzung der Insulintherapie durch Injektionen müssen die Betroffenen heute bis zu zehnmal pro Tag prüfen, welchen Wert der Blutzuckerspiegel zeigt“, sagt Professor Seufert. Dafür müssen sie bislang den Blutzuckerspiegel mit sogenannten Blutzucker-Selbstmessgeräten und Teststreifen in einem Tropfen Blut messen, den sie mit einer Stechhilfe aus der Fingerkuppe gewonnen haben. Die gut geschulten Patienten berechnen dann anhand des Messwertes, welche Dosis Insulin sie gerade benötigen, um den Blutzucker zu kontrollieren. Diese Menge Insulin müssen sie sich dann mit einem sogenannten Insulin-Pen selbst unter die Haut spritzen. Verwenden sie zu wenig Insulin, bleibt der Wert zu hoch, verwenden sie zu viel Insulin, kommt es zur Unterzuckerung. Beides ist mit unerwünschten Nebenwirkungen verknüpft.

Pumpen statt spritzen

Als Alternative zum regelmäßigen Spritzen gibt es mittlerweile sogenannte Insulinpumpen, die Insulin über einen dauerhaften Zugang unter die Haut in den Körper pumpen. Diese passen aber die Insulin-Menge nicht selbständig an die Höhe des Blutzuckerspiegels an, sondern sind so programmiert, dass sie nur eine Grundkonzentration an Insulin kontinuierlich unter die Haut einspritzen. „Bei den bisherigen Insulinpumpen müssen die Betroffenen allerdings trotzdem anhand der selbst gemessenen Blutzuckerwerte die zu den Mahlzeiten benötigte Insulinmenge ausrechnen und von der Pumpe manuell abrufen. Nur das häufige Spritzen fällt weg“, sagt Professor Seufert.

Auf dem Weg zur künstlichen Bauchspeicheldrüse

Weltweit arbeiten mehrere Forschergruppen und Hersteller von Insulinpumpen an Modellen, welche die Arbeit der Bauchspeicheldrüse mehr und mehr übernehmen sollen. „Ideal wäre eine komplett selbständig arbeitende künstliche Bauchspeicheldrüse aus einem Glukosesensor und einer selbst-lernenden Insulinpumpe, welche genau die richtige Menge Insulin anhand des kontinuierlich gemessenen Blutzuckerwertes selbständig abgibt. Dieser Wunschtraum ist jedoch derzeit nur teilweise zu erfüllen“, sagt Professor Seufert.

Es gibt Glukosesensoren, welche bis zu 14 Tage lang kontinuierlich im Unterhaut-Fettgewebe den Zuckergehalt messen, der dem Blutzucker nahekommt. Solche Sensoren können sich die Patienten selbst mit einer dünnen Nadel schmerzlos unter die Haut setzen. Dann wird die Nadel entfernt und es bleibt nur ein dünner und weicher Teflonschlauch unter der Haut, über den der Zuckergehalt gemessen wird. Kombiniert man diese Glukosesensoren mit einer Insulinpumpe, ist eine automatisierte und auf den Blutzuckerwert abgestimmte Insulinabgabe denkbar.

Sensor-unterstützte Pumpentherapie

„Bereits heute versorgen wir bestimmte Patienten mit sogenannten halb-geschlossenen Sensor-Pumpensystemen, welche die Funktion einer solchen künstlichen Bauchspeicheldrüse zum Teil schon erfüllen. Dies wird Sensor-unterstützte Pumpentherapie (SuP) genannt“, erklärt Professor Seufert. In der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie wird ihr Einsatz von einem professionellen Diabetesteam aus ärztlichen Diabetesspezialisten, Diabetesberaterinnen und Ernährungsberaterinnen begleitet. „Im Rahmen von strukturierten Schulungen und professioneller Unterstützung werden die Patienten fit für den Alltag gemacht, um diese Systeme optimal im täglichen Leben für eine gute Blutzuckereinstellung zu nutzen“, so Prof. Seufert.

Dabei trägt der Patient eine Pumpe am Körper, die laufend die programmierte Menge Insulin in den Körper abgibt. Gleichzeitig funkt der Glukosesensor kontinuierlich die gemessenen Werte an die Insulinpumpe, wo sie der Patient ablesen kann. Dann kann der Patient die Insulinabgabe anpassen.

Misst der Sensor eine Unterzuckerung, wird die Pumpe abgeschaltet. Dies erhöht die Sicherheit der Patienten und schützt vor allem im Schlaf vor Unterzuckerungen. Allerdings müssen Patienten immer noch selbstständig die Pumpe bedienen, insbesondere zu den Mahlzeiten, so dass der Traum von der künstlichen Bauchspeicheldrüse noch nicht ganz erfüllt ist.

Mittlerweile sind auch Sensor-Pumpensysteme verfügbar, die den Grundbedarf an Insulin, die sogenannte Basalrate, aufgrund der kontinuierlich gemessenen Zuckerwerte selbständig so anpassen, dass der Blutzucker im normalen Bereich bleibt. Allerdings kommen auch diese neuen Systeme an ihre Grenzen: „Mit einer solchen fast kompletten künstlichen Bauchspeicheldrüse kann der Grundbedarf an Insulin sichergestellt werden. Kommt es aber zu schnellen Veränderungen des Blutzuckerspiegels, zum Beispiel beim Sport, muss man den Wert  weiterhin durch einen Tropfen Blut messen und die Insulindosis per Hand an der Pumpe korrigieren“, erklärt Professor Seufert. Dennoch stellt diese Weiterentwicklung einen wichtigen Schritt zur künstlichen Bauchspeicheldrüse dar.

Individuelle Anpassung

Der Stoffwechsel ist nicht nur von Patient zu Patient verschieden, sondern reagiert auch bei einer Person in unterschiedlichen Lebenssituationen verschieden. Damit eine solche Insulinpumpe trotzdem die richtige Menge Insulin abgibt, muss sie an jeden Patienten über längere Zeit individuell angepasst werden. Denn die Dosis wird durch einprogrammierte Rechenregeln berechnet, sogenannte Algorithmen. Doch der Aufwand lohnt sich. Auch Kinder und Schwangere profitieren davon sehr, da sich ihr Stoffwechsel bislang manchmal nur schwer einstellen lässt.

Unter experimentellen Bedingungen werden bereits Sensor-Pumpen-Systeme erforscht, die nun alle Bedingungen für eine künstliche Bauchspeicheldrüse erfüllen und die Insulindosis automatisch selbständig in jeder Situation ohne Zutun des Patienten anpassen. „Bis diese künstliche Bauchspeicheldrüse auf dem Markt ist, kann es jedoch noch eine Weile dauern“, sagt Professor Seufert. Denn obwohl sie bei Testpersonen schon eineinhalb Monate gut funktioniert hat, lässt die Zulassung noch auf sich warten, da noch nicht alle Sicherheitsbedenken aus dem Weg geräumt sind. Dennoch ist die Forschung auf einem guten Weg, auch die letzte Hürde für die künstliche Bauchspeicheldrüse in den nächsten Jahren zu nehmen.

Professor Seufert erklärt: „Selbstverständlich werden auch wir als Forschungs-orientierte universitäre Diabetesabteilung  immer die neuesten Sensor-Pumpensysteme und schließlich einmal auch die komplette künstliche Bauchspeicheldrüse für eine optimale Behandlung unserer Patientinnen und Patienten mit Typ1 Diabetes mellitus anbieten.“

Kontakt für Diabetesberatung:

Abteilung Endokrinologie und Diabetologie
Telefon: 0761 270-39590

Weitere Informationen:

Diabetesberatung des Universitätsklinikums Freiburg

 

Melden Sie sich für unseren Newsletter an und erhalten Sie die neuesten Nachrichten aus unserem Online-Magazin „Im Fokus“

Zurück