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„Gentherapie ist schon heute klinische Realität“

Zell- und Gentherapie

(28.12.2015) Der Hoffnungsträger der modernen Gentherapie hat den kryptischen Namen CRISPR-Cas (gesprochen: Krisp-R-Kas). CRISPR-Cas ist ein Eiweiß, das wie eine Schere das Erbgut zerschneidet. Anders als bisherige Genscheren lässt sich CRISPR-Cas ganz einfach steuern. Damit können Forscher gezielt kranke Gene entfernen und gesunde Gene einfügen.  

Anfang Dezember haben die Nationalen Forschungsakademien der USA, Großbritanniens und Chinas zum „International Summit on Human Gene Editing“ eingeladen, um über die wissenschaftliche, ethische und gesellschaftliche Fragen der Gentherapie mittels Genscheren zu diskutieren. Professor Dr. Toni Cathomen, Direktor des Instituts für Zell- und Gentherapie des Universitätsklinikums Freiburg, erläutert die Ergebnisse.

Professor Cathomen, es wird bei der Diskussion stets zwischen sogenannten somatischen Stammzellen und Keimbahn-Stammzellen unterschieden. Was ist der Unterschied?
Keimbahn-(Stamm)zellen bilden Eizellen und Spermien. Wird deren Erbgut verändert, tragen alle Nachfahren des Spenders die Veränderung in sich. Somatische Stammzellen bilden alle anderen Zelltypen im Körper, etwa für Haut oder Blut. Eine Veränderung des Erbguts wird nur an die spezialisierten Zellen, nicht aber an die Nachfahren weitergegeben.  

Was passiert nun bei einer Gentherapie?
Mittels Gentherapie wird entweder zusätzlich ein gesundes Gen in die entsprechenden Stammzellen eingeschleust oder das krank machende Gen ausgeschnitten und durch das gesunde Gen ersetzt. In manchen Fällen kann es auch helfen, ein bestimmtes Gen zu zerstören, so dass Krankheitserreger die Zelle nicht mehr attackieren können. Diesen Weg gehen wir bei der Erforschung von HIV-Therapien.  

Werden solche Veränderungen des Erbguts schon in der Therapie eingesetzt?
Ja, das Einführen genetischer Veränderungen in Körper-Stammzellen ist bereits klinische Realität. Bei der Behandlung von bestimmten Immundefekten, Blutungskrankheiten und Leukämien wurden schon sehr gute Erfolge erzielt. Seit Anfang 2015 wird außerdem eine kommerziell erhältliche Gentherapie gegen eine Fettstoffwechselkrankheit von den Krankenkassen gezahlt.  

Wie sieht es bei Keimbahnstammzellen aus? Ist ihre genetische Manipulation in Deutschland überhaupt erlaubt?
Nein, in Deutschland wie in ganz Europa ist die genetische Veränderung von Keimbahn-Zellen verboten. Darum besteht hier auch aktuell keine Gefahr vor dem sogenannten „Designer-Baby“, also Kindern, bei denen die Eltern vor der Geburt genetische Eigenschaften gezielt auswählen oder verändern lassen.  

Gilt das Verbot der Keimbahn-Manipulation weltweit?
Nein, und genau darum wurden auf dem jetzt abgehaltenen Forschungsgipfel klare Richtlinien erarbeitet: Eine Erbgut-Veränderung in der Keimbahn soll zunächst nur für Forschungszwecke erlaubt sein. Bevor die Keimbahn-Manipulation für klinische Zwecke eingesetzt wird, müssen vor allem die Sicherheit der Methoden gewährleistet sein und Gefahren für Empfänger und Nachkommen ausgeschlossen werden. Außerdem mahnen die Forscher einen breiten ethisch-gesellschaftlicher Konsens an.  

Wäre denn ein solcher Eingriff heute schon sinnvoll?
Eine Keimbahntherapie oder die Gentherapie in Embryonen kommt meines Erachtens nur für äußerst schwerwiegende Erbkrankheiten in Frage. Zurzeit sind die Risiken einer Keimbahntherapie jedoch nicht abzuschätzen. Es wäre deshalb ethisch nicht vertretbar und verantwortungslos, solche Therapieansätze zum jetzigen Zeitpunkt in Keimbahnzellen oder menschlichen Föten durchzuführen.  

Was überwiegt für Sie in der Debatte um die neuen Möglichkeiten: Chancen oder Risiken?
Ich persönlich sehe in dieser Technologie eine große Chance, sowohl Erbkrankheiten als auch erworbene Krankheiten mit maßgeschneiderten Therapieansätzen zu behandeln. Aber wir sollten einen Schritt nach dem anderen machen. Wenn wir die Genveränderung für somatische Stammzellen in der Klinik etabliert haben, können wir Chancen und Risiken einer Keimbahntherapie hoffentlich besser abschätzen.

Weitere Informationen:
Institut für Zell- und Gentherapie

Abschlusserklärung des International Summit on Human Gene Editing

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