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Blutkrebs: Von der Dringlichkeit der Stammzellspende

Onkologie

(11.11.2015) Alle 16 Minuten erhält ein Mensch in Deutschland die Diagnose Blutkrebs. Über Gefahren und Möglichkeiten der Behandlung berichtet Prof. Dr. Michael Lübbert, Oberarzt am Universitätsklinikum Freiburg für Innere Medizin I, Leukämie-Experte.

ImFokus: Was genau ist Blutkrebs, auch unter dem Begriff Leukämie bekannt?

Prof. Dr. Lübbert: Das Knochenmark produziert ständig neue Blutkörperchen. Bei der Weitergabe der Erbinformationen während einer Zellteilung können Fehler auftreten, sogenannte  Mutationen. Somit kann (selten) bereits eine einzelne Zelle, bei der dieser Prozess nicht korrekt funktioniert hat, entarten und sich im Knochenmark unkontrolliert vermehren.

ImFokus: Was passiert dann genau im Körper?

Prof. Dr. Lübbert: Im Verlauf kommt es zum Austreten solch meistens unreifer, nicht funktionsfähiger Zellen ins Blut, sowie zur Unterdrückung der normalen Bildung von roten und weißen Blutkörperchen wie auch Blutplättchen. Abhängig von der ursprünglich betroffenen Zelle gibt es verschiedene Leukämieformen. Je nach ihrem Verlauf unterscheidet man die chronische Leukämie – mit einem Verlauf über Jahre hinweg, und sehr guten Behandlungschancen mit nicht-intensiver Therapie – oder die akute Leukämie, die innerhalb weniger Wochen auftreten kann und bisher fast immer mit Chemotherapie behandelt wird.

ImFokus: Wie äußert sich die Krankheit bei den Betroffenen?

Prof. Dr. Lübbert: Patienten, bei denen sich eine Leukämie entwickelt hat, bemerken häufig zuerst die Symptome des Mangels an roten Blutkörperchen. Sie haben eine blasse Gesichtsfarbe, fühlen sich zunehmend schwächer bei körperlicher Belastung oder gar in Ruhe und bemerken einen schnellen Puls. Weitere Anzeichen sind häufige Infekte, hervorgerufen durch den Mangel an funktionsfähigen weißen Blutzellen sowie einer allgemeinen Abwehrschwäche. Aufgrund mangelnder Blutplättchen können auch Einblutungen in der Haut und Nasenbluten darauf hindeuten. Bei manchen Patienten mit einer bestimmten Leukämieform kommt es zu einer Zahnfleischwucherung, die oft über längere Zeit nicht richtig eingeordnet wird, bis schließlich ein Arzt eine Blutbildkontrolle durchführt.

ImFokus: Gibt es einige Patienten, die keine Symptome haben?

Prof. Dr. Lübbert: Bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML) ist die Diagnose immer wieder mal ein Zufallsbefund bei einer Routine-Untersuchung. Bei der häufigsten Vorstufe der akuten myeloischen Leukämie, dem sogenannten Myelodysplastischen Syndrom (MDS), kann ebenfalls ein etwas auffälliges Blutbild den Arzt veranlassen, eine Knochenmarkpunktion durchzuführen. Bei den meisten Fällen von Leukämie jedoch sind es die Beschwerden des Patienten, die zur Diagnose führen.

ImFokus: Was sind die Ursachen für Leukämie?

Prof. Dr. Lübbert: Diese Frage stellen sich alle betroffenen Patienten und Angehörigen, und in den meisten Fällen können wir nur antworten, dass der Auslöser im individuellen Fall unbekannt ist. Hervorzuheben ist jedoch, dass Leukämien vor allem Erkrankungen des höheren Lebensalters sind, mehr als die Hälfte aller betroffenen Patienten sind über 65 Jahre alt. Somit ist die Ursache für Leukämien dann denen von "Alterskrebs" sehr ähnlich: im Laufe des Lebens häufen sich genetische Veränderungen (Mutationen) im Knochenmark an, die meistens harmlos sind, aber in seltenen Fällen (zum Beispiel bei bestimmten Kombinationen von Mutationen) zur Entstehung der Erkrankung führen können. Im Gegensatz hierzu können wir bei manchen Patienten die Ursache sehr konkret herleiten: Bekannte Auslöser von Leukämien sind zum Beispiel eine vorangegangene Chemotherapie aufgrund einer anderen bösartigen Erkrankung (das selbe gilt, in geringerem Maße, für eine vorangegangene Strahlentherapie). Bezüglich des Gesundheitsverhaltens spielt Rauchen eine gewisse Rolle, die jedoch nachgeordnet ist. Viren als Auslöser von Leukämien sind eine große Seltenheit.

ImFokus: Ist Leukämie heilbar?

Prof. Dr. Lübbert: Für jede der vielen Leukämieformen gibt es Behandlungsansätze, die zur Heilung führen können. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit des Erreichens einer Heilung von vielen, nicht immer beeinflussbaren Faktoren abhängig: Den zugrunde liegenden genetischen Veränderungen, dem Alter und natürlich auch der "Fitness" des Patienten, und somit der Möglichkeit, eine Chemotherapie beziehungsweise Blutstammzell- oder Knochenmarktransplantation durchzuführen. Aber selbst wenn eine Heilung bei älteren Patienten mit Begleiterkrankungen nicht möglich ist, gibt es verschiedene medikamentöse Behandlungen, um den Verlauf der Erkrankung zu mildern, das Leben zu verlängern bei möglichst erhaltener Lebensqualität und ambulanter Therapie.

ImFokus: Warum ist es so wichtig, dass möglichst viele Menschen bereit sind, Stammzellen zu spenden?

Prof. Dr. Lübbert: Die höchsten Heilungsraten bei akuten Leukämien werden mit Chemotherapie und Blutstammzelltransplantation erreicht. Da dieses Verfahren bei Leukämiepatienten nicht mit eigenen Stammzellen, sondern denen von direkten Verwandten wie Geschwistern oder aber von Fremdspendern durchgeführt wird, ist es von großer Bedeutung, dass in den vergangenen Jahren immer mehr freiwillige potentielle Spender sich testen lassen haben. Somit kann heutzutage für sehr viele Patienten ein Spender gefunden werden. Durch weitere Stammzellspender, die sich testen lassen, kann die Geschwindigkeit bis zur Identifikation eines passenden Fremdspenders noch gesteigert werden. Dass sich möglichst viele Menschen als Spender typisieren lassen, ist besonders für Patienten im Alter von über 60 und 70 Jahren wichtig, da sie oftmals keine lebenden oder gesunden Geschwister mehr haben.

ImFokus: Wie läuft eine Stammzell-Spende ab?

Prof. Dr. Lübbert: Nach wiederholter Injektionen eines Wachstumsfaktors unter die Haut treten blutbildende Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut über, und können dann, ähnlich wie bei einer normalen Blutspende, über einen Zugang in eine Armvene angereichert und gesammelt werden. Aufgrund der Einfachheit des Verfahrens und deutlich geringeren Belastung für den Spender hat das Verfahren in sehr vielen Fällen die vorher übliche Knochenmarkspende (Vollnarkose, Entnahme von Knochenmarkzellen aus dem Beckenknochen) abgelöst.  

Die Stammzelldatei wird tätig bei Knochenmark- oder peripheren Blutstammzelltransplantationen bei Krebs und anderen schweren Krankheiten.

Kontaktdaten für eine Typisierungsteilnahme:

Tumorzentrum Freiburg - CCCF Stammzelldatei Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55 79106 Freiburg

Telefon: 0761 270-34950

stammzelldatei@uniklinik-freiburg.de

www.tumorzentrum-freiburg.de

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