Ein starkes Immunsystem für den Bauernhof
Immunologie(23.01.2017) Es ist ein schwieriger Start ins Leben, den der kleine Felix* hat: Hirnhautentzündung, Hautabszesse und dauerhaft geschwollene Lymphknoten deuten bereits in den ersten Lebensmonaten darauf hin, dass die Immunabwehr des kleinen Jungen nicht richtig funktioniert. Am Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) des Universitätsklinikums Freiburg finden die behandelnden Ärzte schließlich einen Weg, den Jungen zu heilen.
Den Grund für die dauernden Infekte finden Ärzte in Felix‘ Heimat in Norddeutschland, als der Junge acht Monate alt ist. Ein schwerer Immundefekt ist die Ursache: Septische Granulomatose oder CGD, als Abkürzung der englischen Bezeichnung ‚Chronic Granulomatosous Disease‘. CGD ist ein seltener Gendefekt, bei dem die Funktion bestimmter Immunzellen gestört ist. Bakterien und Pilze können sich im Körper weitgehend ungehindert ausbreiten und schwere Infektionen verursachen. Die Infekte lassen sich nur durch die dauerhafte Einnahme von Antibiotika und anderen Medikamenten bekämpfen. Ungefähr eines von 100.000 Neugeborenen wird mit dieser schweren Störung des Immunsystems geboren. In Deutschland sind gerade einmal 150 Patienten bekannt.
Dass Felix auf dem Bauernhof aufwächst, macht die Sache noch komplizierter. Denn überall lauern hier Bakterien und Pilzsporen, denen Felix ungeschützt ausgeliefert ist und die für ihn lebensbedrohlich werden können. Nach der Diagnose raten die Ärzte den Eltern, den Bauernhof aufzugeben, da das Infektionsrisiko für Felix zu hoch sei. Doch der Betrieb stellt für die Familie die Existenzgrundlage dar, den sie nicht einfach aufgeben kann.
Im Laufe der Jahre kommt zu den Infekten eine immer schwerer verlaufende entzündliche Darmerkrankung. Monatelange Krankenhausaufenthalte, mehrmals auf der Intensivstation, sind die Folge. Ein regelmäßiger Schulbesuch ist nicht mehr möglich.
Als Felix neun Jahre alt ist, kommt er erstmals an das Centrum für Chronische Immundefizienz nach Freiburg. Professor Dr. Stephan Ehl, Medizinischer Direktor des CCI, betreut ihn von Anfang an im Rahmen der Pädiatrischen Immunologie. „Die Lebensqualität von Felix war deutlich eingeschränkt und die gesamte Familie erheblich belastet“, sagt Professor Ehl.
Aufgrund der Schwere der Infektionen und der Darmerkrankung entschließt sich das Expertenteam um Professor Ehl ein Jahr später für eine Stammzelltransplantation. Dabei wird das körpereigene, fehlerhafte Immunsystem durch das eines Spenders ersetzt. Doch auch hier muss die Familie von Felix noch einmal große Unsicherheiten durchstehen: „Zu der Angst vor Komplikationen, die eine Stammzelltransplantation mit sich bringen kann, kam hinzu, dass die ersten beiden passenden Fremdspender ihre lebensrettende Teilnahme zurückgezogen haben. Erst der Dritte machte mit“, sagt Kinderarzt Professor Ehl.
Nach zehn Tagen vorbereitender Chemotherapie, durch die Felix seine Haare verliert, werden die Stammzellen übertragen. Fünf Monate später wird Felix aus dem Krankenhaus entlassen. „Mit der Stammzelltransplantation ist der Defekt von Felix‘ Immunsystem behoben und er lebt beschwerdefrei“, sagt Professor Ehl.
Mittlerweile hat Felix schon zum zweiten Mal bei der Heuernte auf dem elterlichen Bauernhof mitgeholfen, während es ihm vorher nicht einmal möglich war, unbeschwert im Garten zu spielen. „Für die Familie ist das wie ein geschenktes Leben“, sagt Professor Ehl. Zweimal im Jahr reist Felix seither mit seiner Mutter über 600 Kilometer zur Visite nach Freiburg, das für die Familie zu einer zweiten Heimat geworden ist.
* Name durch die Redaktion geändert
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(JF)