Psychotherapie wirkt gegen Magersucht
Freiburger Psychotherapie-Forscherin an weltweit größter Therapiestudie beteiligt
Erwachsene magersüchtige Patientinnen, die nicht zu schwer erkrankt sind, können mit psychotherapeutischer Behandlung erfolgreich ambulant behandelt werden; auch nach Therapieende nehmen sie weiterhin deutlich an Gewicht zu. Dies hat die weltweit größte Therapiestudie zur Magersucht gezeigt, die in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde. Die ANTOP-Studie („Anorexia Nervosa Treatment of Out Patients“) wurde an zehn deutschen universitären Ess-Störungszentren unter Federführung der Abteilungen für Psychosomatische Medizin der Universitätskliniken Heidelberg (Leitung: Prof. Dr. Wolfgang Herzog) und Tübingen (Leitung: Prof. Dr. Stephan Zipfel) durchgeführt. Am Freiburger Universitätsklinikum war Prof. Dr. Almut Zeeck, Leitende Oberärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, an der Studie beteiligt.
Psychotherapie ist als Therapie der Wahl bei Magersucht anerkannt und wird in Deutschland als Leistung der Krankenkassen bezahlt. Allerdings fehlten bislang große klinische Studien, die die Wirksamkeit verschiedener Therapieverfahren vergleichend untersuchten. Dies steht im krassen Widerspruch zur Schwere der Erkrankung: In bis zu 20 Prozent aller Fälle führt Magersucht im Langzeitverlauf zum Tode und ist damit die gefährlichste aller psychischen Erkrankungen. Betroffen sind etwa ein Prozent der Bevölkerung, und zwar fast ausschließlich Mädchen oder junge Frauen, deren Körpergewicht höchstens 85 Prozent des Normalgewichtes beträgt. Die Betroffenen haben große Angst vor einer Gewichtszunahme und leiden unter einer gestörten Wahrnehmung der eigenen Figur.
Die ANTOP-Studie, bei der 242 erwachsene Patientinnen insgesamt 22 Monate begleitet wurden, lässt nun erstmals wissenschaftliche Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit verschiedener Psychotherapeutischer Ansätze bei Magersüchtigen zu. Verglichen wurden drei Psychotherapieverfahren: Zwei neue psychotherapeutische Verfahren, die speziell für die ambulante Behandlung dieser Erkrankung entwickelt worden waren, und eine optimierte Form der derzeit praktizierten Standard-Psychotherapie.
Die fokale psychodynamische Psychotherapie bearbeitet in Therapiesitzungen die ungünstige Gestaltung von Beziehungen sowie Beeinträchtigungen bei der Verarbeitung von Emotionen. Die Arbeitsbeziehung zwischen Therapeut und Patientin spielt dabei eine große Rolle. Die Patientin wird speziell auf den Alltag nach Ende der Therapie vorbereitet.
Die kognitive Verhaltenstherapie hat zwei Schwerpunkte: die Normalisierung des Essverhaltens und Gewichtssteigerung sowie die Bearbeitung mit der Ess-Störung verbundener Problembereiche, z.B. dysfunktionale Überzeugungen, Defizite bei sozialer Kompetenz oder bei der Fähigkeit, Probleme zu lösen. Die Patienten erhalten auch „Hausaufgaben“ von ihren Therapeuten.
Die Standard-Psychotherapie wurde als optimierte Regelversorgung von erfahrenen Psychotherapeuten durchgeführt, die sich die Patientinnen selber aussuchen konnten. Ergänzend waren die Hausärzte in die Therapie eingebunden; die Patientinnen besuchten im Weiteren fünfmal das jeweilige Studienzentrum.
Bei den beiden spezifischen Therapien führten speziell ausgebildete Psychotherapeuten mit den Patientinnen 40 ambulante Einzelsitzungen über einen Zeitraum von zehn Monaten durch, bei der Standard-Therapie entschieden die Therapeuten über die Anzahl der Sitzungen. Die Hausärzte waren über die Therapie informiert und in die Behandlungen eingebunden; so wurden die Patientinnen zumindest einmal pro Monat von Ihrem Hausarzt untersucht. Rund ein Drittel der Patientinnen musste wegen schlechten Gesundheitszustands vorübergehend stationär aufgenommen werden; etwa ein Viertel der Patientinnen nahmen nicht bis zum Ende an der Behandlung teil.
Die magersüchtigen Patientinnen in allen drei Gruppen hatten nach Therapie-Ende und einem weiteren Jahr Nachbeobachtung durchschnittlich 3,8 Kilogramm an Gewicht zugenommen. „Insgesamt zeigten die beiden neuen Therapieformen im Vergleich mit der optimierten Standardtherapie Vorteile“, sagt Professor Zipfel. „Am Ende unserer Studie war die fokale psychodynamische Therapie am erfolgreichsten; die spezifische kognitive Verhaltenstherapie führte dem gegenüber zu einer schnelleren Gewichtszunahme.“ Außerdem mussten die psychodynamisch behandelten Patientinnen seltener zusätzlich stationär behandelt werden. Die Akzeptanz der beiden spezialisierten bzw. spezifischen Psychotherapieverfahren war bei den Patientinnen sehr hoch. Dennoch litt auch ein Jahr nach Ende der Therapie zirka ein Viertel der Patientinnen immer noch unter dem Vollbild der Magersucht.
Die Wissenschaftler ziehen das Fazit: Erwachsene Patientinnen haben durch die spezifischen Therapien eine realistische Chance auf eine Heilung oder nachhaltige Besserung. Es bleiben aber große Herausforderungen für die Prävention und die Behandlung der Magersucht bestehen.
Titel der Originalpublikation: Focal psychodynamic therapy, cognitive behaviour therapy, and optimised treatment as usual in outpatients with anorexia nervosa (ANTOP study): randomised controlled trial
doi: 10.1016/S0140-6736(13)61746-8
http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)61746-8
Kontakt:
Prof. Dr. Almut Zeeck
Leitende Oberärztin
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