Morbus Parkinson - nahezu symptomfrei nach einer tiefen Hirnstimulation
Dr. Deniz Özbilen leidet unter Morbus Parkinson. Nach einer tiefen Hirnstimulation am Universitätsklinikum Freiburg ist er nahezu symptomfrei.
„Dass etwas nicht stimmt, ist mir zum ersten Mal klar geworden, als ich Bankgeschäfte tätigen wollte und meine Unterschrift nicht mehr akzeptiert wurde“, erinnert sich Deniz Özbilen. Das war vor acht Jahren. Der heute 54-Jährige hatte schon vorher oft Muskelverspannungen und Rückenschmerzen, doch konnte er diese Anzeichen nicht einordnen. Entsprechend schockierend war die Diagnose: Deniz Özbilen hat Morbus Parkinson – vom akinetisch-rigiden Typ, wie die Fachleute sagen. Das heißt: Statt des Zitterns wurden seine Muskeln zunehmend steif, die Bewegungen ruckartiger, als würden Zahnräder ineinander greifen. Für den promovierten SAP Software-Architekt brach eine Welt zusammen. Er war erst 46 Jahre alt, wollte sich mit seiner Familie niederlassen und bauen. Auch beruflich hatte er noch viel vor.
„Ich habe Prof. Coenen in einer Fernsehreportage gesehen. Er wendete die tiefe Hirnstimulation bei Parkinsonpatienten an, die danach keine Symptome mehr zeigten“, sagt Özbilen. „Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, ,Antennen´ in den Kopf implantiert zu bekommen, doch das Verfahren beeindruckte mich und deshalb bin ich zu ihm gefahren.“ Bei der tiefen Hirnstimulation werden über ein kleines Loch in der Schädeldecke in einem vorher genau lokalisierten Bereich Elektroden angebracht. Diese senden elektrische Impulse an zu aktivierende Nervenstrukturen, woraufhin die Symptome – beispielsweise das Zittern beim Parkinson Tremor – unmittelbar verschwinden.
„Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Herr Özbilen das erste Mal zu mir kam“, sagt Prof. Dr. med. Volker A. Coenen, der die Abteilung Stereotaktische und Funktionelle Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg leitet. „Damals war es aber noch zu zeitig für einen Eingriff. Zunächst müssen alle anderen Therapieoptionen ausgeschöpft sein. Es war zu diesem Zeitpunkt auch nicht klar, ob Herr Özbilen jemals eine tiefe Hirnstimulation benötigen würde.“ Nach einer ausgefeilten medikamentösen Therapie durch die behandelnden Neurologen, die sehr gut anschlug, deren Wirkung aber leider nur zwei Jahre anhielt, wurde der Familienvater schließlich wieder bei Prof. Coenen vorstellig. Die behandelnden Neurologen hatten ihm zur Therapie mit der tiefen Hirnstimulation geraten.
„Am 9. September 2014 war ich bei ihm in Freiburg. Er meinte, jetzt sei ich tatsächlich ein Kandidat für tiefe Hirnstimulation geworden, und er nahm sich viel Zeit für ein Gespräch mit mir.“ Ende Oktober war es dann so weit, die Operation konnte stattfinden. „Es war für mich ein sehr intensives Erlebnis; mir kommen heute noch die Tränen.“ Morgens, 7.30 Uhr, begann der Eingriff. Deniz Özbilens Kopf wurde in einem sogenannten stereotaktischen Rahmen befestigt, an dem sich ein Zielbügel befindet. Er war während der Operation zeitweise bei Bewusstsein, damit der Erfolg direkt geprüft werden konnte. Zunächst wurde die Testelektrode über ein Loch in der Schädeldecke eingebracht.
Während die Elektroden abgesenkt wurden, testeten die Mediziner die Motorik des Patienten. „Prof. Coenen hielt immer wieder meine Hand während ein Kollege operierte und sagte, dass alles gut verlaufe.“ Dann folgte die Implantation des Schrittmachers am Schlüsselbein unter Vollnarkose.
Insgesamt etwa 350 chirurgische Eingriffe am Gehirn nimmt Prof. Coenen mit seinem Team im Jahr vor – 40-50 davon sind tiefe Hirnstimulationen. Mit einer angemessen hohen Anzahl an Operationen wird im Universitätsklinikum eine routinierte Behandlung der Patienten sichergestellt. „Die Qualität einer Operation hängt immer auch von der Fallzahl und damit von der Erfahrung eines Teams ab. Wenn ein Haus eine schwierige Operation wie die tiefe Hirnstimulation häufig durchführt, dann erhöhen sich damit die Erfahrung und auch die Sicherheit für den Patienten. Zudem kann ein Universitätsklinikum seinen Patienten anbieten, an Studien teilzunehmen und so von den neuesten Behandlungsmethoden zu profitieren“, unterstreicht Prof. Coenen.
Dr. Deniz Özbilen wurde nach erfolgreicher Operation am 11. November 2014 entlassen, knapp einen Monat später wurde die Stimulation eingeschaltet. „Es war so wie vorausgesagt. Meine Symptome sind komplett verschwunden. Ich kann mich wieder normal bewegen. Ich kann wieder laufen, wieder Fahrradfahren und wieder Skifahren. Und ich kann wieder mit meinem Sohn Fußball spielen.“ Alle drei Monate fährt er zu Prof. Coenen, um sicherzustellen, dass die Stimulation stabil funktioniert.
Nach seiner Operation ist der Software-Architekt die Karriereleiter weiter aufgestiegen. Dann entschied er sich für den Vorruhestand, nicht zuletzt auch, weil Prof. Coenen ihm empfahl, sich etwas zurückzunehmen. Doch Nichtstun kann Deniz Özbilen nicht. Er repariert Oldtimer-Motoren, stellt Computer zusammen und baut PC-Netzwerke auf. Auch möchte er seine Softwarekenntnisse Studenten vermitteln, und er plant bereits eine große Reise mit seiner Familie in die USA.
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