Zentrum für Zystennieren (ZZN)
(Problemorientiertes Zentrum)Zystennieren sind eine häufige genetische Erkrankung. In Deutschland leiden ca. 80.000 Menschen an der autosomal dominanten Form, welche in mehr als 50% der Fälle zu einer terminalen Niereninsuffizienz führt. Damit hat diese Erkrankung erhebliche sozio-ökonomische Implikationen. Die klinische Präsentation von Zystennieren ist komplex und in der Regel mit diversen extrarenalen Manifestationen vergesellschaftet, welche eine beträchtliche Komorbidität und Mortalität mit sich bringen. Aufgrund der Komplexität dieser Erkrankung erfordert die Versorgung der betroffenen Patienten einen interdisziplinären Ansatz. Das Koordinierungszentrum besteht daher aus verschiedenen Abteilungen und Querschnittfächern. Das ZZN ist ein problemorientiertes Zentrum zur Behandlung von Patienten mit Zystennieren. Ziel ist die kompetente und effiziente Behandlung verschiedener Krankheitsmanifestationen bei Patienten mit Zystennieren. Eine wesentliche Funktion des ZZN ist es, die am UKF vorhandene Kompetenz nach außen zu dokumentieren und dem Patienten den Zugang zu den verschiedenen Spezialfunktionen zu erleichtern. Darüber hinaus soll es die Kommunikation der Abteilungen innerhalb des Klinikums fördern und Kristallisationspunkte für innovative Behandlungs- und Forschungskonzepte bilden.
Nephrologie (Med. Klinik IV)
Die Abteilung verfügt über weitreichende Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit zystischen Nierenerkrankungen. Durch experimentelle und klinische Studien ist die Abteilung international als Schwerpunktzentrum für Zystennieren bekannt. Daher werden Patienten aus dem In- und Ausland zur Behandlung nach Freiburg überwiesen. Schwerpunkte der Behandlung sind u.a. die konservative Therapie von Progressionsfaktoren, Zystenruptur, -wachstum, die Diagnose und Behandlung von Komplikationen (Zysteninfektionen) sowie die Vorbereitung auf Nierenersatzverfahren. Im Rahmen des Transplantationszentrums werden ADPKD-Patienten zusammen mit der Abteilung für Allgemeine und Viszeralchirurgie während der Transplantation und in der Nachsorge betreut.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Walz, Prof. Dr. Kühn und PD Dr. Schäfer
Gastro- und Hepatologie (Med. Klinik II)
Leberzysten und Gallengangsveränderungen (einschließlich Gallengangstumoren) sind häufige Komplikationen der ADPKD mit zum Teil erheblichem Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten. Die Medizinische Klinik II verfügt über umfangreiche Erfahrung in der endoskopischen Diagnostik sowie der Beurteilung der Leberfunktion (z.B. vor Leberteilresektion).
Ansprechpartner: Prof. Dr. Thimme und Prof. Dr. Neumann-Haefelin
Humangenetik
Obwohl die ADPKD eine monogenetische Erkrankung ist, wird zunehmend offensichtlich, dass die Prognose wesentlich vom „mutational load“ in anderen Genen bestimmt wird. Hierzu werden moderne Methoden wie „next generation sequencing“ eingesetzt, um hier eine adäquate Beratung bei Familenplanung und Prognose-Einschätzung zu gewährleisten.
Ansprechpartner: Prof. Fischer
Allgemeine und Viszeralchirurgie
Die Abteilung verfügt über umfangreiche Erfahrungen zur chirurgischen Behandlung von Nieren- und Leberzysten und deren Komplikationen. Hierzu gehören insbesondere die chirurgische Behandlung von Nieren- und Leberzysten, einschließlich der laparoskopischen Abtragung von Leberzysten (Fenestrierung) und Leberteilresektion. Nach Erreichen der terminalen Niereninsuffizienz sind die orthotope, ein- oder zweizeitige Nephrektomie, die Nierentransplantation mit gleichseitiger unilateraler Nephrektomie, sowie ABO-kompatibler und inkompatibler Nierentransplantation nach Lebendspende zur Verfügung.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Neeff, Dr. Jänigen und Dr. Holzner
Urologie
Die Inzidenz der Nephrolithiasis ist mit einer Inzidenz von ca. 20% deutlich erhöhte und stellt eine schwierige Differentialdiagnose bei Flankenschmerzen und der Abgrenzung zur Zysteninfektion oder –ruptur dar. Die Urologie verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Diagnostik und Therapie dieser Komplikation, so dass eine enge Zusammenarbeit mit diesem Fach bei der Betreuung von ADPKD-Patienten essentiell ist.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Gratzke
Schmerzzentrum
Chronische Schmerzzustände repräsentieren ein wesentliches Problem in der Behandlung von Patienten mit Zystennieren, meistens bedingt durch den raumfordernden Prozess der Zystenexpansion, gelegentlich aber auch durch akute Komplikationen wie Zystenrupturen oder –blutungen. Diese Schmerzzustände müssen fachgerecht behandelt werden, um die volle Berufsfähigkeit des Patienten zu erhalten und um eine Suchtentwicklung oder eine Medikamenten-bedinge Nierentoxizität zu vermeiden.
Ansprechpartner: Dr. Kieselbach
Radiologische Klinik
Bildgebende Verfahren müssen ohne Kontrastmittel die Beurteilung von Zystengröße und Restparenchym ermöglichen, um Nephrotoxizität zu vermeiden. Daher ist die Kernspin-Diagnostik zu einem Standardverfahren geworden. Entscheidend ist hier der Einsatz von MRT-Untersuchungen unter Verzicht auf Kontrastmittel (Gadolinium), welches bei eingeschränkter Nierenfunktion kontraindiziert ist.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Bamberg
Imaging
Vom „Department of Radiology, Medical Physics“ und dem „MR Development and Application Center (MRDAC)“ wurden verschiedene Auswertungsverfahren zur quantitative Darstellung und Messung von Zysten und Organparenchym (Niere, Leber) entwickelt. Diese z.T. semi-automatischen Algorithmen wurden in einer kürzlich durchgeführten Studie als Surrogate-Parameter zur Erfassung der Progression der ADPKD-Erkrankung verwendet. Damit hat die Abteilung extensive Erfahrung in der modernen Bildgebung und insbesondere der Auswertung von MR-gestützten Verfahren. Die Darstellung von Zysten und Parenchym ist im Rahmen von Studien zur Erprobung neuer therapeutischer Methoden wichtig. Darüber hinaus stellt sich bei ADPKD-Patienten immer wieder die Frage, wie die Entfernung von Nieren oder Lebersegmenten die Residualfunktion dieser Organe beeinflusst, zum Beispiel wegen massiver Einschränkung der Lebensqualität. Tierexperimentelle Daten weisen außerdem darauf hin, dass sich Zysten nach Hemmung von bestimmten Signalübertragungswegen biologisch anders verhalten, so dass sich hier enormes Forschungs- und Behandlungspotential ergibt.
Ansprechpartner: Prof. Hennig
Neuroradiologie
Patienten mit ADPKD haben eine erhöhte Prävalenz an Hirnbasisaneurysmen mit entsprechender Morbidität und Mortalität. Die Neuroradiologische Abteilung hat sich zu einem führenden Zentrum für die Diagnose und Behandlung von Hirnbasisaneurysmen entwickelt. Im Vordergrund steht das Coiling, welches im Vergleich zur chirurgischen Intervention (sog. Clipping) eine deutlich geringere Morbidität und Mortalität hat. Wesentlich sind die rechtzeitige Diagnose und korrekte Indikation zur Behandlung. Häufig stellen sich Patienten mit Risikofaktoren oder Warnsymptomen primär nicht in der Neuroradiologie vor, so dass hier das NZZN eine wichtige Bedeutung in der Versorgung dieser Patienten erlangen wird.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Urbach und Prof. Dr. Taschner
Neurochirurgie
Blutungskomplikationen insbesondere bedingt durch Rupturen von Aneurysmen der zerebralen Gefäße tragen substantiell zur Morbidität und Mortalität der ADPKD-Patienten bei. Optimale Behandlungsabläufe können dazu beitragen, dass Patienten diese schwerwiegende Komplikation möglichst gut überstehen. Unterstützend werden akut betroffene Patienten Hubschrauber-gestützt über die zentrale Notfallversorgung in die Neurochirurgie verlegt, so dass in kürzester Zeit die operative Versorgung möglich ist.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Beck und Prof. Dr. Gläsker
Nuklearmedizin
Rezidivierende Zystinfektionen können ein schwerwiegendes Problem darstellen und schließlich zu weiteren Komplikationen wie beispielsweise der sekundären Amyloidose führen. Weder CT- noch MR-basierte Verfahren können infizierte Zysten von komplizierten Zysten (z.B. nach Einblutung) ausreichend sicher unterscheiden. Hier bietet das PET-CT einen neuen Ansatz, um komplexe (rezidivierende) Zystinfektionen zu lokalisieren. Dieser Ansatz eröffnet die Möglichkeit bei Infektionen, die von einem einheitlichen Focus ausgehen, präzise chirurgisch vorzugehen (Nierenteilresektion).
Ansprechpartner: Prof. Dr. Dr. Meyer
Infektiologie
Zysteninfektionen gehören zu den häufigsten Komplikationen der ADPKD. Die Therapie der Zysteninfektionen ist komplex, da es zum einen oft nicht möglich ist, den verursachenden Keim zu isolieren und zum anderen gängige Antibiotika nicht über ausreichende Penetranz in die Zystenflüssigkeit verfügen. Rezidivierende antibiotische Behandlungen können zur Resistenzentwicklung führen, so dass hier ist ein rationales Vorgehen wichtig ist, um eine für den Patienten sichere und effektive Therapie zu definieren.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Rieg
Es besteht bereits eine intensive Zusammenarbeit mit der Abteilung für Allgemeine und Viszeralchirurgie, insbesondere im Bereich der Nierenersatztherapie (Nierentransplantation mit/ohne gleichzeitige Nephrektomie). In vielen Fällen bedürfen ADPKD-Patienten jedoch der interdisziplinären Behandlung. Ziel des ZZN ist es, diese interdisziplinäre Behandlung besser zu koordinieren und für den Patienten die verschiedenen Spezialdisziplinen besser sichtbar zu machen. Damit entstehen auch für Patientenorganisationen besser strukturierte Eingangsportale und helfen dem Standort Freiburg, diesen Schwerpunkt national und international zu konsolidieren.
Das ZZN ist mit seinen molekularen, zellbiologischen und entwicklungsbiologischen Fragestellen zentral in den Forschungspunkten der Fakultät verankert. Dies wird insbesondere durch die Beteiligung von Mitgliedern des ZZN in an allen Sonderforschungsbereichen der Medizinischen und Biologischen Fakultät (SFB 592, 746 und 850), sowie der aktiven Beteiligung an der Vorbereitung des SFB MEDEP unterstrichen. Parallel zu diesen Aktivitäten wurde 2008 eine Klinische Forschergruppe (KFO 201) zum Thema Zystennieren eingerichtet, welche im Jahr 2011 erfolgreich für weitere drei Jahre verlängert wurde. An dieser Forschergruppe beteiligen sich insgesamt 8 Gruppen aus der Medizinischen Fakultät, der Fakultät für Biologie und der Pharmazeutischen Fakultät. Diese Forschergruppe verfügt über ein jährliches Etat von ca. 1 Million Euro, und hat großes Potential, in einen Sonderforschungsbereich überzugehen. Ganz im Vordergrund dieser Forschergruppe stehen die rasche Umsetzung von experimentellen Beobachtungen und Ergebnisse in die klinische Forschung und Therapie. Bereits im Jahr 2010 konnte in von Freiburg initiierte und koordinierte Studie abgeschlossen werden, welche erste mögliche Ansätze zur medikamentösen Behandlung von Zystenniere etablierte; die Ergebnisse dieser Studie wurden 2010 im New England Journal of Medicine publiziert (G. Walz et al., NEJM 2010).
Zielgruppe des ZZN sind primär ADPKD-Patienten in Südbaden. Das ZZN möchte jedoch für komplexe Patienten aus ganz Deutschland als Ansprechpartner und Kompetenzzentrum zur Verfügung stehen. Ca. 5% aller ADPKD-Patienten (ca. 4.000 Patienten) leiden an zerebralen oder peripheren Aneurysmen. Eine signifikante Zahl von Patienten leidet an einem massiven Zystenwachstum in den Nieren und der Leber. Rapides Größenwachstum kann im fortgeschrittenem Stadium zu Verdrängungserscheinungen des Magens mit reduzierter Nahrungsaufnahme mit einer Tumorkachexie-ähnlichen Symptomatik führen. Bereits in früheren Stadien kommt es jedoch zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität. In dieser Phase suchen viele Patienten Hilfe in spezialisierten Zentren. Freiburg weißt seit mehr als 10 Jahren diese Expertise auf, hat diese aber bisher unzureichend kommuniziert.
Viele Patienten werden über die Med. Klinik IV anderen Abteilungen zur Behandlung zugewiesen. In besonderen Situationen kann es notwendig werden, komplexe Patienten gemeinsam zu besprechen. In diesem Fall organisiert der Sprecher des ZZN eine „ad hoc“ Fallkonferenz, oder delegiert diese Aufgabe an die Abteilung, deren Beitrag von zentraler Bedeutung ist. Beispielsweise kann vor einer geplanten Leberteilresektion ein gemeinsames Board einberufen werden, welches aus Hepatologen, Chirurg, Radiologe/Imaging-Spezialist und Nuklearmediziner besteht, um die Risiken für diesen Eingriff abzuwägen. Bei Patienten mit rezidivierenden Zysteninfektionen kann eine gemeinsame Konferenz klären, ob sich die Zysteninfektion lokalisieren lässt (Radiologe, Nuklearmediziner), ein konservativer Ansatz mit einer Langzeitantibiose (Infektiologe) oder eine Nephrektomie (Chirurg, Nephrologe) das therapeutisch sinnvolle Verfahren ist.
Ziel des ZZN ist es, das Vorgehen bei ADPKD-Patienten zu optimieren und zu standardisieren. Mitglieder des ZZN werden sich einmal im Quartal treffen, um problematische Bereiche zu identifizieren. Für diese in der Regel komplexen Erkrankungsformen werden dann interdisziplinäre Behandlungsstandards und/oder Behandlungsabläufe festgelegt. Diese schriftlich ausgearbeiteten Behandlungsrichtlinien stellen gleichzeitig die Basis für fachübergreifende Lehrkonzepte dar, um Assistenzärzte in ihrer Facharztausbildung an das Krankenbild heranzuführen. Das ZZN strebt an, regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen für Patienten und Ärzte durchzuführen. Bereits jetzt finden regelmäßig Fortbildungen im Rahmen der Klinischen Forschergruppe KFO 201 statt. In diesem Rahmen sollen auch internationale Symposien zum Thema stattfinden. Kollegen aus den Mitgliedsabteilungen sollen auch für die Forschung in diesem Bereich interessiert werden. So besteht die Möglichkeit, für 2-3 Jahre eine Ausbildung in experimenteller Forschung zum Thema Zystennieren durchzuführen.
Klinik für Innere Medizin IV
Nephrologie und Allgemeinmedizin
Hugstetter Straße 55
79106 Freiburg
0761 270-34010 (Pforte)