ampuls 1- 2018

5 4 1/2018 1/2018 Professor Dr. J. Rüdiger Siewert, Leitender Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Freiburg, blickte beim Neujahrsempfang 2018 auf das Jahr 2017 zurück – und schaut nach vorn Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter, wenn ich auf das Jahr 2017 zu- rückblicke, habe ich zunächst einmal gute Zahlen zu vermelden. Für das Jahr 2017 ist eine Leis- tungssteigerung von rund drei Prozent zu verzeichnen. Damit hat die Uniklinik Freiburg seit 2016 eine Leistungssteigerung von gut sechs Prozent erbracht. Auch im nationalen Vergleich mit anderen Universitätskliniken ste- hen wir glänzend da. Wir sind unter den Top 3 in der Gesamt- zahl der erwirtschafteten CM- Punkte. Das Gleiche gilt für die Schwere der Erkrankungen, die hier behandelt werden, gemessen am CMI. Außerdem ist in Frei- burg die kürzeste Verweildauer zu verzeichnen. Auf diese Zahlen sind wir stolz. Sie sind Anlass, allen Mitarbeite- rinnen und Mitarbeitern sowohl im Pflegebereich wie im medizin- technischen Bereich, aber auch den Ärztinnen und Ärzten für ih- ren Einsatz von ganzem Herzen zu danken. Ohne sie und ihren Einsatz wäre die Uniklinik nicht so erfolgreich. Deshalb unterstüt- zen wir auch die Bemühungen des Personalrats und der Gewerk- schaft ver.di um einen Entlas- tungsvertrag. Dabei ist jedoch die Uniklinik Freiburg nicht der richti- ge Ansprechpartner. Die Stoßrich- tung der Bemühungen muss in Richtung Berlin gehen. Die gera- de laufenden Koalitionsverhand- lungen sind vielleicht ein geeigne- ter Zeitpunkt, hier aktiv zu werden. Neubauten für effektivere Abläufe Die medizinische Leistung der Uniklinik stimmt also – dennoch haben wir finanzielle Probleme. Dafür gibt es viele Gründe: Der annähernd 100 Jahre alte Lorenzring ist durch seine kleinen Funktionseinheiten und die lan- gen Wegstrecken nicht betriebs- wirtschaftlich zu betreiben. Eben- „Wir haben in Freiburg Pionierarbeit geleistet“ so führt die gesamte Baustruktur des Campus zu aufwendigen und teuren Patiententransporten.Auch das unterirdische Transportsys- tem – die AWT-Anlage – ist in die Jahre gekommen und muss sa- niert werden. Hier helfen Neubauten weiter, die effektivere Funktionsabläufe gestatten. Deswegen haben wir hier in den letzten Jahren deutlich investiert. Das Interdisziplinäre Tumorzentrum wird alles, was mit Onkologie zu tun hat, unter einem Dach vereinen und Abläu- fe verbessern. Außerdem schafft es Platz im Lorenzring, so‑ dass hier Sanierungsmaßnahmen – hoffentlich gespeist aus der „Sanierungsinitiative Hochschul- medizin“ des Landes Baden- Württemberg – möglich werden. Ein Dauerbrenner ist die Chi- rurgie, die immer funktionsunfä- higer wird und dringend eines Neubaus bedarf. Hier setzen wir auf den Landeshaushalt 2020/21. Hilfe der Politik wird benötigt Die defizitäre Situation unseres Budgets wird allein durch interne Strukturmaßnahmen nur schwer zu verbessern sein. Um zeitnah zu einem ausgeglichenen Haus- halt zu kommen, sind wir auf die Hilfe der Politik angewiesen. Eine Befreiung von den soge- nannten eigenfinanzierten Ab- schreibungen würde der Uni‑ klinik 12,5 Millionen Euro erbringen. Weitere vier Millionen Euro könnten wir sparen, wenn die Kosten der Notfallmedizin als Teil der Daseinsvorsorge wie Po- lizei und Feuerwehr aus Steuer- geldern gedeckt würden. Beide Maßnahmen würden uns einen enormen Schritt voranbringen. Erfolgreiche Berufungspolitik als Existenzsicherung Aber lassen Sie uns nach vorne blicken und den großen Rahmen skizzieren, in dem sich die Hoch- schulmedizin in den nächsten Jahren entwickeln wird. Zu den wichtigsten Entwicklungen ge- hört die enge Kooperation von Universitätsklinik und Universi- tät: Eine Universitätsklinik muss sich als Teil der Universität ver- stehen. Zwischen Universitäts- klinikum und medizinischer Fa- kultät als Teil der Universität muss es eine enge Symbiose ge- ben. Darüber hinaus bedarf es der Quervernetzung zu anderen Fakultäten, insbesondere im Hin- blick auf das Thema „Life Sci- ence“. Außerdem müssen sich Universitätskliniken wie auch Fakultäten und Universitäten zur akademischen Kultur des Wett- bewerbs als etwas Stimulieren- des und die Qualität Förderndes bekennen. Wettbewerb darf nicht als Störung der ärztlichen Be- rufstätigkeit verstanden werden. Hier in Freiburg gibt es diese Probleme nicht.Wir leben in enger Symbiose mit der Universität und der Medizinischen Fakultät. Nicht zuletzt deswegen haben wir in den letzten Jahren auch eine so erfolg- reiche Berufungspolitik machen können. Und Sie wissen: Die bes- ten Köpfe für Freiburg zu gewin- nen, ist die Existenzsicherung für die Zukunft. Die wesentliche Auf- gabe der Universitätsmedizin ist es, den ärztlichen Nachwuchs aus- zubilden und medizinische For- schung zu betreiben. Der Wissen- schaftsrat hat aber 2017 zu Recht festgestellt, dass es in den letzten Jahren zu einer Dominanz der Ver- sorgungsaufgaben in den Univer- sitätskliniken gekommen ist. Spezialisten sind gefragt Die Erklärung ist einfach: Hier finden sich die besten Köpfe, die beste Ausstattung und der medi- zinische Fortschritt. Das alles steht den Patienten rund um die Uhr zur Verfügung. Dadurch ist es zu einer Ökonomisierung der Hochschulmedizin gekommen. Mit dieser Entwicklung müssen wir uns abfinden. Sie wird irre- versibel sein und die Länder, aber auch der Bund müssen ihr Rechnung tragen und die Hoch- schulmedizin auf andere finanzi- elle Beine stellen. Eine weitere nicht aufzuhalten- de Entwicklung ist die Speziali- sierung. Sie trägt dem raschen wissenschaftlichen Fortschritt Rechnung. Auch der Patient wünscht den Spezialisten. Dies bedeutet, dass bei Neuberufun- gen und bei der strukturellen Wei- terentwicklung der Fakultät eine Portfolio-Erweiterung stattfinden muss. Eine Gefahr der Speziali- sierung ist jedoch, dass der orga- nisatorische Zusammenhalt zwi- schen den Fächern verloren geht. Wir haben deshalb in Freiburg sehr früh das Department-System eingeführt, das den organisatori- schen Verbund zwischen den ein- zelnen Spezialitäten sicherstellt und eine ressourcenorientierte Zusammenführung bedeutet. Die‑ ses Organisationssystem hat sich bewährt. Interdisziplinäre Zentren erlauben horizontale Vernetzung Eine andere Entwicklung in der Hochschulmedizin ist sehr viel schwieriger in den Griff zu be- kommen: die zunehmende Auf- lösung der Fächergrenzen. Dies ist der rasanten Entwicklung neuer, minimalinvasiver Techno- logien zu verdanken. Überall da, wo ein Fachgebiet naturgegebe- ne Wegesysteme nutzen kann, gewinnen die minimalinvasiven Techniken am raschesten an Bedeutung. Deshalb ist diese Entwicklung auch in der kardio- vaskulären Medizin am ein- drucksvollsten zu beobachten. Ähnliches gilt für die Viszeral- medizin, aber auch für die Neu- rofächer und wird in kürzerer Zeit zu entsprechenden interdis- ziplinären Zentren führen. Über- haupt liegt die Zukunft der modernen Medizin in einer Horizontalvernetzung verschiede- ner Fächer in interdisziplinä‑ ren Zentren. Auch der Wissen- schaftsrat fordert diese. Wir ha- ben in Freiburg Pionierarbeit geleistet und viele derartige Zen- tren gebildet, die alle höchst er- folgreich arbeiten. Interdisziplinäre Zentren sollten nach dem „Central Entry Port“- Prinzip strukturiert sein: Der Pati- ent tritt durch eine singuläre Pfor- te in das interdisziplinäre Zentrum ein und erfährt eine rasche Dia- gnostik und gezielteTherapie. Das prägende Beispiel für Freiburg ist das Universitäts-Notfallzentrum, das von annähernd 50000 Patien- ten jährlich besucht wird. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die kassenärztliche Regelver- sorgung. Deshalb müssen hier Ge- genmaßnahmen ergriffen werden. Wir sind mit der Kassenärztlichen Vereinigung gerade im Gespräch, eine sogenannte Portalpraxis di- rekt neben dem Universitäts-Not- fallzentrum aufzubauen, um eine Patiententriage vor Ort zu ermög- lichen. In der Zusammenschau werden die Leitplanken, inner- halb derer sich moderne Hoch- schulmedizin entwickeln wird, sichtbar. Ich wage noch einmal zu behaupten, dass Freiburg, was die Department-Struktur und die Bil- dung interdisziplinärer Zentren angeht, deutschlandweit führend ist. Dennoch bleibt ein Wermuts- tropfen: der zunehmend dramati- scher werdende Personalmangel. Herausforderung Personalmangel Wir haben mit Helmut Schiffer zum Glück einen erfahrenen und erfolgreichen Pflegedirektor, der diese Entwicklung aufmerksam beobachtet und die dringendsten Probleme löst. So wurden die Aus- bildungsplätze unserer eigenen Akademie für Medizinische Beru- fe weiter erhöht, dieAkademie und die Aus- und Fortbildungen unter einem Dach vereint und der Ge- sundheitscampus mit elf Aus‑ bildungsgängen und fast 1000 Auszubildenden gegründet. Im Pflegebereich bilden wir jährlich etwa 270 Pflegekräfte aus, die größtenteils auch am Standort Freiburg verbleiben. Unser Bedarf liegt aber bei rund 350 Pflegekräf- ten pro Jahr, sodass wir weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Markt akquirieren müs- sen. Ich persönlich glaube, dass dieser Personalmangel für uns die größte Herausforderung in der Zu- kunft darstellen wird, und ich hoffe sehr, dass bei den gerade stattfin- denden Koalitionsverhandlungen mehr Geld in dieses System kommt, sodass der Beruf hoffent- lich bald wieder attraktiver wird. Ichwünsche uns allen ein erfolgreiches, gesundes Jahr. Sich nach einem Krankenhaus- aufenthalt einfach und bequem von zu Hause um die Nachsorge kümmern? Die Pflegeexpertin Lynn Leppla von der Klinik für Innere Medizin I – Hämatologie, Onkologie und Stammzelltrans- plantation möchte dies für Stammzelltransplantierte mög- lich machen. Gemeinsam mit dem Institut für Pflegewissen- schaft an der Universität Basel Erweiterte Nachsorge per Smartphone-App und der Hochschule Augsburg entwickelt Leppla im Rahmen ihrer Doktorarbeit ein App- basiertes Versorgungsmodell, das die Betreuung nach einer Stammzelltransplantation nach- haltig verbessern soll. „Wir möchten mit dem Projekt nicht nur einen Beitrag zur Pa­ tientenversorgung leisten, son- dern Betroffenen auch eine nut- zerfreundliche Unterstützung im Alltag zur Verfügung stellen“, sagt Leppla. Für die Entwick- lung der App erhielt die Pflege- expertin von der B. Braun- Stiftung eine Förderung von 20000 Euro. Die Idee zu Lepplas Nachsor- ge-Projekt „Integrated Model of Care after Allogeneic Hemato- poietic Stem Cell Transplanta­ tion facilitated by eHealth Tech- nology“, kurz SMILe, ist ebenso einfach wie innovativ: Im ersten Jahr nach der Stammzelltrans- plantation halten Patientinnen und Patienten mithilfe der Smartphone-App wichtige Wer- te zum eigenen Verhalten, zum Beispiel zu Bewegungsgewohn- heiten oder zur Medikamenten- einnahme, fest. Außerdem no- tieren sie täglich medizinische Werte wie Körpertemperatur und Symptome wie Übelkeit oder Mundtrockenheit. Diese Daten werden an das Transplantzentrum übertragen und von einer erfahrenen Pflegekraft, dem sogenannten Care-Coordinator, ausgewertet. Gegebenenfalls wird mit dem betreuenden Arzt Rückspra‑ che gehalten. So können die Patienten so- wie die zuständigen Ärzte und Pflegekräfte unmittelbar be- nachrichtigt werden, wenn auffällige Werte auftreten. Mo- mentan kommen Patienten zwar zur Nachsorge ins Kran- kenhaus, Symptome werden allerdings nicht systematisch in Echtzeit erfasst. „Wenn Stammzelltransplan- tierte mit Beschwerden zum Arzt gehen, ist der Leidensdruck oft schon sehr hoch. Wir hoffen, dass wir durch die App Kompli- kationen früher erkennen und Betroffenen rechtzeitig helfen können“, sagt Leppla. Anfang 2018 geht die App in die erste Usability-Testphase mit Patientinnen und Patienten. Das Feedback aus dieser und weiteren Testphasen wird die Pflegeexpertin dazu nutzen, um die App optimal auf die Bedürf- nisse der Nutzer abzustimmen. Sie hofft, dass ihre Ergebnisse in Zukunft nicht nur Stammzell- transplantierten zugute kom- men. „Eine gute Nachsorge ist nicht nur für unsere Patientin- nen und Patienten sehr wichtig. Es wäre schön, wenn unser Nachsorge-Modell in abgewan- delter Form irgendwann auch bei Menschen mit anderen Krankheitsbildern Anwendung finden wird“, sagt Pflegeexper- tin Lynn Leppla. Pflegeexpertin und Doktorandin Lynn Leppla entwickelt ein technologiegestütztes Versorgungsmodell für Stammzelltransplantierte Pflegeexpertin Lynn Leppla erklärt einem Patienten die App auf seinem Smartphone

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